Medizin Philosophie

Als der im April 2005 gestorbene Nervenarzt Dr. med. Klaus Reichert seit 1989 seine von ihm scherzhaft so genannten „Kränzchen“ als Chefarzt der Neurologie auf dem Dobel bei Karlsruhe ausrichtete und die Vorträge seiner ersten beiden Veranstaltungen 1991 unter dem Titel „Aspekte neurologischer Rehabilitation“ herausgab, konnte er noch nicht ahnen, wie erfolgreich seine Arbeit sein würde. Unter dem gleichen Titel „Aspekte neurologischer Rehabilitation“ kamen auch 1992 die Vorträge von 1991/1992, 1998 die Vorträge von 1996/1997 und 1996 die Vorträge von 1993 und 1995 heraus.

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Dr. med. Klaus Reichert

Ich selbst kannte Herrn Dr. Reichert aus Karlsruhe. Hier war er, bevor er Chefarzt auf dem Dobel wurde, 1. Oberarzt der damaligen Neurologisch-Psychiatrischen Klinik und ich Assistenzarzt. Vorher hatte ich sieben Jahre im Psychiatrischen Landeskrankenhaus (PLK) Wiesloch, dem heutigen Psychiatrischen Zentrum Nordbaden, gearbeitet und hier meine Dissertation gemacht. Von Karlsruhe aus, wo ich meine Neurologiezeit absolvierte, ging ich nach München und wollte meinen Facharzt machen, musste aber erkennen, dass die bayerischen Voraussetzungen für den Nervenarzt andere waren als in Baden-Württemberg. Ich musste vorerst auf die Facharztprüfung verzichten. Als der neue Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie geschaffen wurde, wollte ich ihn machen, brauchte aber auch dazu weitere Zeugnisbestätigungen. Da unser gemeinsamer Karlsruher Chef Prof. Norbert Müller inzwischen gestorben war, bat ich Klaus Reichert, der inzwischen auf dem Dobel Chef war, um ein Zusatzzeugnis von ihm als 1. Karlsruher Oberarzt. Ich bekam es, Klaus Reichert bat mich aber darum, bei seinem „Kränzchen“ einen Vortrag zu halten. So kam ich 1993 mit dem Vortrag „Augen: von der Photosensibilität zur Kognition“ dazu und befreundete mich seitdem mit Klaus Reichert.

Die Bücher „Aspekte neurologischer Rehabilitation“ waren über die Kliniken für Rehabilitation Waldbronn und Dobel“ herausgegeben worden. Klaus Reichert wollte von den Kliniken unabhängig sein und gab im Jahre 2000 die Dobler Vorträge von 1999 im Passauer wissenschaftsverlag richard rothe unter dem Titel „Sprache denken – Annäherung von Medizin und Geisteswissenschaft“ heraus. Das Vorwort schrieb er zusammen mit seinem späteren Schwiegersohn Christian Hoffstadt.

„Sprache denken – Annäherung von Medizin und Geisteswissenschaft“ bedeutete einen Übergang. Das zeigt sich auch darin, dass Christian Hoffstadt mitarbeitete. Wie schon die Titel verraten, waren die „Kränzchen“ ursprünglich neurologisch. Klaus Reichert wollte aber mehr, ihm ging es um die Vereinigung von Medizin und Philosophie. Dazu war Christian Hoffstadt der richtige Mitstreiter. Denn er war damals Philosophiestudent und hat inzwischen zum Dr. phil. promoviert. Zusammen gaben beide, Klaus Reichert und Christian Hoffstadt von da ab im projekt verlag Bochum die ersten Bände der neuen Reihe „Aspekte der Medizinphilosophie“ heraus, auch gefördert vom Herausgeber Fred Pusch. Leider starb nach langer, schwerer Krankheit Klaus Reichert im Jahre 2005, nachdem die ersten beiden Bände der neuen Reihe erschienen waren. Ab dem Band 3 gehöre ich zum Mitherausgeberstab der Reihe „Aspekte der Medizinphilosophie“. Im Band 4 „Wir, die Mechaniker von Leib und Seele“ sind die Aufsätze von Klaus Reichert zusammengefasst, mit Ausnahme einer kleinen, nie wirklich veröffentlichten Geschichte „Ein armes Dummerle, der kleine Froh“, die Klaus Reichert mit zwölf oder dreizehn Jahren erfand und die ihn schon als Schüler als phantasievollen Erzähler zeigen.

Viele Jahre lang richtete der (teilweise wechselnde) Herausgeberstab Medizinphilosophie Symposien aus, in der Regel im Oktober und meist in Karlsruhe, lud dazu Referenten zu einem Thema ein und brachte dann die eingereichten Aufsätze oder gehaltenen Vorträge als Buch in der Reihe „Aspekte der Medizinphilosophie“ heraus. Zeitweise gehörte dazu in Gedenken an Klaus Reichert auch ein Klaus-Reichert-Preis. Vom Preisträger des Jahres 2009 Frank W. Stahnisch stammt der Sonderband 11: Medicine, Life and Function. Andere Sonderbände sind von den Buchherausgebern Christian Hoffstadt und Remo Bernasconi der Band 8: An den Grenzen der Sucht – On the edge of addiction – Aux confins de la dépendance und der von mir geschriebene Band 10: Ökonomie, Mord und Planwirtschaft. Die Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch im Dritten Reich.

Das letzte  Symposium zum Thema „Vom Geheimen und vom Verborgenen: Enthüllen und Entdecken in der Medizin“ fand vom 10. bis 11. Oktober 2015 zum ersten mal an der Universität Münster statt.

Bei diesem Symposium wurde beschlossen, dass der Herausgeberstab wechselte. Christian Hoffstadt und ich schieden aus. Die Arbeit lag nun in den Händen von Michael Nagenborg, Sabine Müller, Melanie Möller und (neu) Michael Rosentreter. Als vorletztes Buch erschien 2016 noch mit dem alten Mitarbeiterstab (Christian Hoffstadt, Franz Peschke, Sabine Möller, Melanie Möller) als Band 16 der Reihe „Aspekte der Medizinphilosophie“ „Nur Emotionen?“.

Der letzte Band der Reihe „Aspekte der Medizinphilosophie“ ist mit neuen Herausgebern im Dezember 2017 erschienen:

Michael Nagenborg; Sabine Müller, Melanie Möller, Michael Rosentreter (Hrsg.): Vom Geheimen und Verborgenen. Enthüllen und Entdecken in der Medizin (=Aspekte der Medizinphilosophie, Band 17), projektverlag Bochum/Freiburg 2017, ISSN 160-1693, ISBN 978-3-89733-439-7. Es ist der allerletzte Band dieser so erfolgreichen Reihe. Denn die Reihe wurde geschlossen.

Darin ist auch mein Aufsatz „Medical Detectives – das Geheimnis der modernen Medizin“ auf S. 61 – 71 zu finden.

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