Fremd und eigen – Der Beginn der archaischen Kunst bei den Griechen

Fremd und eigen – Der Beginn der archaischen Kunst bei den Griechen

 

1. Der Fund der Kolossalfigur von Psammetich I.

Eine im Jahre 2018 vom ZDF produzierte und beim ZDF und Phoenix mehrfach ausgestrahlte Dokumentation aus der Serie „Aufgedeckt – Rätsel der Geschichte“  mit dem Titel „Der geheimnisvolle Pharao“ regt sehr die Phantasie an. Das kann verschiedene Ursachen haben, den vom ZDF gewählten Titel „Der geheimnisvolle Pharao“, das Dokumentierte selbst oder die Art, wie die Dokumentation präsentiert wird. Jedenfalls hat mich diese Dokumentation dazu angeregt, mich mit der Entwicklung der griechischen Kunst zu beschäftigen.

Ausgangspunkt der Dokumentation ist eine archäologische Ausgrabung von dem Leipziger Archäologen Dr. Dietrich Raue, dem Kustos des Ägyptischen Museums der Universität Leipzig, und seinem Team in Kairo. Die Archäologen gruben im Kairoer Armenviertel Matariya (Al-Matarija) in sichtbarer Entfernung zu den Pyramiden, wo sich einst in alten Ägypten die berühmte Sonnenstadt Heliopolis – der Name Heliopolis stammt von den Griechen, hier war der mythische Urhügel, auf dem nach der altägyptischen Mythologie die Welt erschaffen wurde und Heliopolis gehörte in der Spätzeit des alten Ägypten zu den religiösen Zentren –  befand, in einem immer wieder überfluteten Schlammloch einen  Ramses dem II. (er regierte von 1279 bis 1213 vor Christus) zugeordneten Tempel aus. In Al-Matariya sollten neue Bauten entstehen. Deshalb galt diese Ausgrabung als Notgrabung und sollte schnellstmöglich abgeschlossen werden.

Im März 2017 wollten die Forscher gerade die Ausgrabung beenden, als ein Arbeiter zufällig mit dem Spaten unter der bisher untersuchten Grabungsebene auf ein sehr großes Relikt stieß. Sofort wurde die riesengroße Skulptur mit einem Bagger geborgen. Der Fundort der einen Pharao darstellenden Figur befand sich in der Nähe des Eingangs in das Heiligtum vor einem Tempel, den Ramses II. errichten ließ und der zu einer Gruppe von weiteren Gebäuden gehörte, die den Weg zum Haupttempel flankierten. Bei der ersten und weiteren Grabungen fand man mehr als 4500 Fragmente und auch den zuerst fehlenden Kopf der Statue. Es gab die verständliche Vermutung, es könne sich um eine Figur von Ramses II. handeln. Besonders, da die Krone der Statue auf die Zeit um 1900 v. Chr. hinwies, während die Augenpartie aus dem 13. Jahrhundert v. Chr., also aus der Zeit von Ramses II., zu stammen schien. Diese Merkmale sind typisch für die Zeit von Ramses II.

Welche Überraschung war es, als sich erwies, dass die Statue nicht die von Ramses II. war. Auf der Rückseite der Figur fand sich vier Zeichen Nb-ˁ Nebaa. Dies war ein so genannter Nebtiname. Ihn kannten die Ägyptologen. Er gehört zu Psammetich I. , Psmṯ [j] k, auf assyrisch Nabu-šēzibani, Pišamilki und auf Griechisch Ψαμμήτιχος (Regentschaft 664 bis 610 vor Christus). Das bedeutet entweder „Der Mann des Gottes Mṯk“ oder „Der Mischweinverkäufer“. Psammetich hieß ursprünglich Nebaa bzw. Nabu-šēzibani. Das bedeutet „Herr des Armes“ bzw. „starker Arm“. Von ihm kannte man schon kleinere Figuren. Aber noch nie zuvor war eine derart riesige Statue aus der Spätzeit des alten Ägypten gefunden worden. Man kannte sie nur aus der Zeit der Pyramiden und von Ramses II.

Der Film „Der geheimnisvolle Pharao“ schildert das Leben Psammetichs I. Dabei fällt die Bemerkung, Psammetich I. sei ein vergessener Pharao. Sein Name Psammetich sei nur Ägyptologen bekannt. Zur Zeit seines Vaters Necho I. (altäg. Nekau, Neku, assyrisch Nikku, mNi-ik-ku-u, † 664 vor Chr.) sei Ägypten besetzt und geteilt gewesen. Den Norden, also Unterägypten, hatten die Assyrer unterworfen, den Süden, also Oberägypten, hielten die Kuschiten besetzt.  Zwar setzte der assyrische König Asarhadon (assyrischer König von 680 bis 669 vor Chr.) Necho I. als assyrischen Statthalter und Pharao von Sais und Memphis ein, jedoch galt Necho I. dem assyrischen König wie ein Sklave. Dies zeigt eine 661/670 errichtete  Siegesstele, die sich jetzt im Pergamonmuseum in Berlin befindet. Auf ihr ist zu sehen, wie ein kleiner Necho I. vor dem riesigen Asarhadon niederkniet und mit einer Leine, die an der Nase oder Wange befestigt ist, gehalten wird. Das zeigt die überragende Macht von Asarhadon und die Ohnmacht von Necho I. und von Ägypten zu dieser Zeit. Nechos Sohn Psammetich galt daher als unbedeutend und schwach, die Assyrer hatten keine Angst vor ihm und er und wurde von den Assyrern zur Lebzeiten Nechos in Unterägypten als Gaufürst eingesetzt. Bei Nechos Tod machten deshalb die Asyyrer Psammetich zum König von Ägypten.

Die Assyrer hatten sich aber in Psammetich geirrt. Er war nicht so harmlos, wie er schien. Denn er wollte Ägypten von den Fremdherrschaften befreien. Er kämpfte nach Norden gegen die Assyrer und nach Süden gegen die Kuschiten. Um dabei siegreich zu sein, bediente er sich eines Söldnerheeres mit griechischen Elitesoldaten. Die Griechen halfen ihm auch bei einem Feldzug gegen Theben. Nach seinem Sieg verheiratete er dort seine Tochter Prinzessin Ntrokris als  Gottesgemahlin mit dem Gott Amun und band so die Thebener Priester an sich. Das steht auf der so genannten Nitokris-Stele, die 1897 im Vorhof des Amun-Re-Tempels von Karnak gefunden wurde und sich heute im ägyptischen Museum in Kairo befindet. Man kennt Nitokris auch aus Abbildungen im Grab des Obervermögensverwalters Pabasa (ca. 656–610 v. Chr.), wie unter Hinweis auf die Bautätigkeit Psammetichs in der Dokumentation gezeigt wird. Es gelang Psammetich, Ägypten wieder zu vereinen und er machte altägypt. Sau, Zau, agr. Sais Σάϊς, das heutige Sa al-Hagar, seine Geburtsstadt im westlichen Nildelta zu seiner neuen Hauptstadt.

Wie kam es dazu, dass griechische Söldner in Psammetichs Diensten standen? Das beschreibt Herodot. Den Hintergrund bildet die damalige historische Situation in Ägypten.[1] Die Zeit von Ramses I. war lange vorbei. Ägypten war schon Jahrhunderte lang im Niedergang begriffen. Theben hatte sich zu einem unabhängigen Priesterstaat entwickelt. Ägypten verlor Gebiete, u.a. in Palästina. Ägyptische Könige hatten oft Libyer als Söldner in ihren Dient genommen. Der Libyer Schoschenk (Scheschong) wurde ein mächtiger Söldnerfürst in Herakleopolis und erklärte sich 945 v. Chr. zum König. Damit gründete er als Libyer die 22. Dynastie und regierte in Bubastis. Es gab auch mehrere andere libysche Herrscher in den Deltastädten, die dem Schoschenk lehnstreu sein mussten. Ägypten war nun nicht mehr geeint, sondern war in drei Teile, Nubien, Herakleopolis und Theben verfallen. Das Reich Schoschenks blühte zwar, es gab aber Feindseligkeiten zwischen Theben und Herakleopolis sowie Fehden der libyschen Söldnerführer untereinander. Inzwischen wuchs die Macht der Assyrer mit der Hauptstadt Ninive. Im Laufe der 22. Dynastie machten sich die Stadtfürsten des Nildeltas unabhängig. Einer von ihnen gründete eine 23. Dynastie in Bubastis. Der Streit der libyschen Deltafürsten führte zu völligen Auflösung Ägyptens. Das ägyptische Nubien war mit Theben und dem Tempel des Amon verbunden und es entwickelte sich in Napata ein nubisches Königshaus. Einer der libyschen Könige, Pianchi (Pije), kam 721 in den Besitz Oberägyptens bis nach Herakleopolis. Der Stadtfürst von Saïs im westlichen Nildelta, Tefnachte, wollte Oberägypten erobern und stellte sich ihm entgegen. Aber Pianchi eroberte Memphis und unterwarf die 15 Hauptdeltafürsten. Nachdem sich auch Tefnachte unterworfen hatte, war Pianchi Herr über ganz Ägypten. Pianchi zog sich daraufhin  zurück, und Tefnachte richtete ein unterägyptisches Reich ein und wurde König. Pianchi aber kam wieder, eroberte Memphis und unterwarf erneut die Deltafürsten. Tenafte leistete den Treueschwur. Tefnachte errichtete beim erneuten Rückzug Pianchis ein unterägyptisches Königreich. Sein Sohn Bokchoris wurde 718 v. Chr. Herrscher ganz Unterägyptens. Seit anderthalb Jahrhunderten war Ägypten damals Spielball zahlreicher Stadtfürsten. Im Jahre 711 trat Pianchis Bruder Schabaka im Norden auf und unterwarf Unterägypten. Er gilt als Begründer der 25., der äthiopischen Dynastie. Assyrien war jetzt eine große Gefahr für Ägypten, Deshalb wiegelte Schabaka syrisch-palästinensische Staaten gegen die stärker werdenden Assyrer auf. Sein Neffe Taharka führte das Heer an. Sanherib, der Sohn Sargons besiegte ihn, musste sich aber dann wegen Malaria aus dem Nildelta zurückziehen. Ein Sohn Pianhis, Taharka wurde König in Tania und konnte 13 Jahre lang ungestört regieren. Da wurde der Assyrer Sanherib im Jahre 681 von seinen Söhnen ermordet. Sein Sohn Assarhadon ging jetzt gegen Tabarka vor, besiegte ihn und eroberte Memphis,. Assarhadon teilte Unterägypten in rovinzen auf und ließ zwanzig Deltafürsten den Lehnseid schwören. Dann zog sich Assarhadon nach Ninive zurück. Die Deltafürsten baten Taharka um Wiederaufnahme seiner Herrschaft über Unterägypten. Assarhadon wollte Taharka bestrafen, er starb aber auf dem Feldzug gegen Ägypten und  sein Sohn Assurbanipal verfolgte Taharka. Die Deltafürsten wollten erneut, dass Taharka ihr Oberherr wurde, Als das verraten wurde, wurden sie in Ketten nach Ninive gebracht. Nur Necho, der Fürst von Saïs und Vater Psammetichs, der noch von Assarhadon zum König von  Saïs gemacht worden war, wurde von Assurbanipal begnadigt und wieder zum König von Saïs eingesetzt. Tanutamon, ein Sohn von Schabaka wollte Unterägypten erobern, eroberte Memphis und befahl den Fürsten Unterägyptens, sich ihm zu unterwerfen. Daraufhin eroberten und zerstörten die Assyrer das berühmte hunderttorige Theben. Als Tanutamon starb (?), war die Herrschaft der Äthiopier über Ägypten beendet. Als Necho von  Saïs ermordet wurde, folgte ihm sein Sohn Psammetich. Assurbanipal setzte ihn zum Herrscher von  Saïs und Memphis ein. Weiterhin blieb das Delta im Besitz der Deltafürsten.

Das ist der geschichtliche Hintergrund zu Herodots sagenhaften Bericht. Er schreibt:

„II. 147. … Als die Ägypter nach der Herrschaft der Priester des Hephästos wieder frei geworden waren, so setzten sie, weil sie zu keiner Zeit ohne einen König zu leben vermochten, zwölf Könige [gemeint sind die Deltafürsten] ein und teilten ganz Ägypten in zwölf Teile. Diese Könige, die sich untereinander verschwägert hatten, herrschten über das Land in einer Weise, dass sie festsetzten, sie wollten einander nicht vertreiben und keiner solle suchen, vor den anderen etwas vorauszuhaben, sondern sie wollten einander die besten Freunde sein. Sie trafen aber deshalb die Bestimmung und hielten streng darauf, weil ihnen gleich am Beginn ihres Eintritts in die Herrschaft das Orakel zugekommen war, derjenige von ihnen, welcher mit einer ehernen Schale im Tempel des Hephästos eine Spende darbringe, werde König in ganz Ägypten werden; so kamen sie denn in allen Tempeln [des Landes] zusammen.“

„II. 151. Als nun jene zwölf Könige, die die  Gerechtigkeit untereinander übten, nach einiger Zeit in dem Tempel des Hephästos ein Opfer darbrachten und an dem letzten Tage des Festes der Oberpriester ihnen die goldenen Schalen herausbrachte, mit welchen sie zu spenden pflegten, versah er sich in der Zahl und brachte nur elf, während es ihrer zwölf waren. Da nahm Psammetichos,  welcher zuletzt unter ihnen stand und keine Schale hatte, seinen Helm ab, welcher aus Erz war, hielt ihn unter und brachte die Spende dar. Es trugen zwar auch alle anderen Könige Helme, und damals gerade hatten sie dieselben; auch hatte Psammetichos, als er den Helm unterhielt, durchaus nichts Arges dabei im Sinn; die anderer jedoch erwogen wohl in ihrem Herzen, was von Psammetichos getan worden war, und dachten an den Orakelspruch, der ihnen zuteil geworden, wonach derjenige von ihnen, welcher mit einer ehernen Schale die Spende darbringen, Alleinherrscher von Ägypten werden würde; dieses Orakels eingedenk, hielten sie es zwar nicht für recht, den Psammetichos zu töten, weil sie bei näherer Prüfung fanden, dass er ohne allen Vorbedacht so gehandelt; aber sie beschlossen, ihm den größten Teil seiner Macht zu entziehen und ihn in die Sümpfe zu verstoßen:  aus den Sümpfen, dachten sie, werde er nicht mehr herauskommen und mit dem übrigen Ägypten in  keinem Verkehr stehen.

„II. 152. Dieser Psammetich was früher schon einmal vor dem Äthiopier Sabako, der seinen Vater Nekon  getötet, entflohen, und damals, wo er nach Syrien geflohen, hatten ihn die Ägypter, welche aus dem Saïtischen Gau sind, wieder zurückgeführt, als er infolge des Traumgesichtes der Äthiopier das Land verlassen hatte. Und später, wie er König war, traf es ihm zum zweiten Male, dass er, von den elf Königen vertrieben, um des Helmes wegen in das Sumpfland fliehen musste. Er nun, in der Überzeugung, dass er von diesen misshandelt worden, gedachte an denen, die ihn verstoßen, Rache zu nehmen. Er sendete nach der Stadt Buto zu dem Orakels  der Leto, wo ja das untrügliche Orakel Ägyptens ist, und erhielt die Antwort, es werde Rache kommen durch eherne Männer, die von dem Meere aus erscheinen würden. Nun wollte er zwar durchaus nicht glauben, dass eherne Männer zu seinen Beistand kommen würden; allein es war nicht lange Zeit verstrichen, so wurden Männer aus Ionien und Karien, welche ausgesegelt waren, um Beute zu machen, durch das Schicksal nach Ägypten verschlagen;  als sie aber in ihrer ehernen Rüstung ans Land gestiegen waren, kam ein Ägypter, der noch nie vorher mit Erz gewappnete Männer gesehen hatte, zu Psammetich in das Sumpfland und machte ihm die Meldung, eherne Männer sein von der See aus angekommen und verheerten die Ebene. Dieser merkte alsdann, dass das Orakel in Erfüllung gehe: Er schließt Freundschaft mit den [gelandeten] Ioniern und Karern und überredet sie durch große Versprechungen, mit ihm zu ziehen. Als ihm dies gelungen war, stürzt ab, ebenso wohl durch die Ägypter, die mit ihm waren, als auch durch diese Hilfsvölker, die Könige….

„II. 154. Den Ioniern und allen denen, die ihm geholfen hatten, überließ Psammetich zum Wohnen Ländereien,  welche einander gegenüberlagen und in denen sie den Nil in der Mitte hatten: Lager wurden sie genannt. Er gab ihnen nicht nur diese Ländereien, sondern tat auch alles andere, was er ihnen versprochen hatte, ja er übergab ihnen sogar ägyptische Knaben zum Unterricht in der griechischen Sprache. Und von diesen, welche die Sprache erlernt hatten, stammen die jetzigen Dolmetscher in Ägypten ab. Es wohnten aber die Ionier und Karier lange Zeit auf diesen Ländereien, welche dem Meere zu liegen, ein wenig unterhalb der Stadt Bubastis, an der so genannten Pelusischen Mündung des Nils; späterhin führte der König Amasis[2] sie davon weg und siedelte sie nach Memphis über, wo er sie zu seiner Leibwache nahm gegen die Ägypter. Nachdem aber die Ansiedlung derselben in Ägypten erfolgt war, kamen die Hellenen in  Verkehr mit denselben, und daher wissen wir nun genau alles, was in Ägypten vorgegangen, von Könige Psammetichos an, sowie das, was später geschehen. Denn dies waren die ersten Menschen fremder Zunge, die in Ägypten angesiedelt wurden. In den  Gegenden aber, aus denen sie durch [Amasis] weggeführt wurden, war noch bis auf meine Zeit die Walzen der Schiffe und die Trümmer der Wohnungen vorhanden.

155. Auf diese Weise also kam Psammetich in den Besitz von Ägypten.“[3]

So also ließen nach Herodots Angaben Griechen und Karer sich in Ägypten nieder.

Diese Ionier und Karer gehörten zu Griechen, sich die in der Zeit vom 8. bis zum 6. Jahrhundert im Rahmen der „Großen Kolonisation“  außerhalb des griechischen Festlandes und Ioniens im Mittelmeergebiet und im  Gebiete des Schwarzen Meeres ansiedelten, so in Spanien, im heutigen Südfrankreich, in Italien, auf Sizilien, in Südrussland und in Ägypten. Die Griechen siedelten dort, wo keine starke Konkurrenz sich den Griechen entgegensetzte wie es in Gebieten, in denen Phönizier siedelten oder im Machtbereich der Assyrer der Fall war. Voraussetzung dieser griechischen Expansion waren nautische Kenntnisse, die sich die Griechen von den Phöniziern entlehnten. Die Motive zur Absiedlung waren unterschiedlich (z. B. wachsende Städte, Interesse an Handel). Bei der Vorbereitung zur jeweiligen Stadtgründung der Apoikien (Pflanzstädte) spielte die Befragung des delphischen Orakels eine große Rolle. Apoll galt als Gott der Stadtgründungen. Bei der Großen Kolonisation spielte Milet eine hervorragende Rolle. Kolonien wie Trapezunt und Sinope an der Schwarzmeerküste gehen auf Gründungen Milets zurück. Die Griechen empfanden sich zunehmend als Hellenen, weshalb das gemeinsam von neun griechischen Städten gegründete Heiligtum in Naukratis Hellenion genannt wurde. Dass diese Gründung überhaupt möglich war, spricht auch für die freundliche Aufnahme der Griechen durch Psammetich und seinen Nachfolger Amasis, die anders als die Assyrer ihr Land für Griechen öffneten.

Die in Ägypten siedelnden Griechen waren Ionier aus Milet in der heutigen Südwesttürkei. Die Karer waren ein nichtgriechischer Volksstamm, der damals im Hinterland von Milet in Karien siedelte und eine dem Hethitischen verwandte indoeuropäische Sprache sprach. Die beiden Völker vermischten sich und in Karien entstand ein blühendes Zentrum der griechischen Kultur mit bekannten Städten und Stetten wie z.B. Priene, Milet, Daidala, Aphrodisiasis und Halikarnassos, unter denen Milet herausragte.

Karien war „von großer Bedeutung für den Handel. In der Mäanderebene an der Küste war der Endpunkt einer Verkehrsstraße aus dem Landesinneren, die sich entlang des Flusslaufes etabliert hatte. Entlang der Küste verlief daneben eine große Seestraße, die den Orient mit dem Ägäischen Meer verband und von der vor allem die Küstenstädte profitierten.“[4] Die Karer und Griechen waren also mit Handel gut vertraut. Sie betätigten sich auch in Ägypten als Händler. Ihre Basis war hier die Handelsstadt Naukratis im Nildelta.

Nach einer These israelischer Forscher „waren einige Griechen, die sich in Naukratis niederließen, aus Krieg führenden griechischen Stadtstaaten ausgewandert. Als Bewohner der neuen Stadt zahlten sie Tribut an die in der heutigen Türkei ansässigen Lyder, die eine formelle Allianz mit den Ägyptern unterhielten. Die Lyder, so zeigte der Forscher kürzlich auf der Tagung „Cultural Contexts in Antiquity“ in Innsbruck, garantierten ihnen dafür Sicherheit, so dass sich aus Naukratis ein florierender Handelsplatz entwickeln konnte. … Wie dieses Arrangement zwischen Griechen und Ägyptern zustande gekommen ist, darüber haben Wissenschaftler viel gerätselt. Fantalkins These ist, dass die Griechen im östlichen Griechenland von den Lydern in Kleinasien bedrängt wurden. Eine Gruppe griechischer Händler war so geschäftstüchtig, daraus Kapital zu schlagen: Sie traten in Verbindung zu den Lydern und erklärten ihre Bereitschaft, Tribut zu leisten, wenn die Lyder ihnen bei deren Verbündetem Ägypten Rechte und Freiheiten garantierten, gewissermaßen als Repräsentanten des lydischen Reiches.  „Dies war also keine freie Siedlung von griechischen Kaufleuten, wie man bisher dachte, sondern eine organisierte Bewegung zugunsten eines bedeutenderen Reiches.“[5]

Über die Gründung von Naukratis gibt es widersprüchliche Angaben. Laut Eusebius von Cäsarea soll Naukratis schon im vierten Jahr der siebten Olympiade, also 749 v. Chr., von Milesiern gegründet worden sein. Das dürfte aber nicht stimmen. Laut Strabons wahrscheinlicherer Angabe sollen 30 milesische Schiffe zur Zeit von Psammetich I. den Feldherrn Inaros I. (um 665 v. Chr.) besiegt und daraufhin die Stadt Naukratis gegründet haben. Inaros war der Fürst von Kemwer, des zehnten unterägyptischen Gaues, der sich im südöstlichen Nildelta vom benachbarten Bubastis bis nach Heliopolis hinzog. Inaros (agr. Ίνάρως) war also einer der Deltafürste. „Inaros I. ist dem Umfeld der Revolten gegen die Assyrerherrschaft im Zusammenhang von Necho I., Tanotatum und Pekrur von Pisope zuzurechnen.“[6] Dazu passen Keramikfunde, nach denen sich erste Besiedlungsspuren in Naukratis im zweiten Drittel des siebten Jahrhunderts v. Chr. feststellen lassen. Naukratis befand sich wohl am kanopischen, dem westlichsten Zweig des Nils.

An der Stelle von Naukratis gab es schon eine ältere Stadt. Herodot berichtet:

„II. 177. Zur Zeit des Königs Amasis  soll Ägypten in seiner höchsten Blüte gestanden haben, sowohl in dem, was dem Lande von dem Fluss, als in dem, was den Menschen aus dem Lande zuteil wird und sollen in demselben damals in allem zwanzigtausend bewohnte Städte, gewesen sein….

178. Amasis liebte auch die Hellenen sehr und erwies manchen von ihnen Wohltaten; unter anderem übergab er auch denen, die nach Ägypten gekommen waren, die Stadt Naukratis zur Niederlassung und denen, die nicht darin wohnen wollten, aber dahin Schifffahrt triebe, gab es Plätze, um darauf Altäre und Heiligtümer ihren Göttern zu errichten. …

179. Vor alters war Naukratis der einzige Handelsort, und sonst keiner in Ägypten; kam jemand an eine andere Mündung des Nils, so musste er schwören, dass er unabsichtlich dahin gekommen, und ebenso eidlich versichern, dass er mitsamt in dem Schiffe zu den Kanobischen Mündung fahren wolle; oder, wenn er es nicht möglich war, dahin zu fahren wegen der Gegenwinde, so mussten die Ware auf Kähnen um das Delta herumgefahren werden, bis sie nach Naukratis gelangten. In solchem Ansehen stand Naukratis.“[7]

Der General Amasis war durch eine Rebellion gegen den Pharao Apries ( er regiert 589–570 v. Chr.) an die Macht gekommen. Dieser schickte im Jahre 570 eine aus 30.000  Karern und Ioniern bestehende Söldnerarmee gegen ihn, weil er rebellierte.[8] Apries hatte es angeraten gefunden, Libyer gegen die aufblühende griechische Kolonie in Kyrene (im heutigen Libyen) zu unterstützen und hatte deshalb ägyptische Söldner (ohne griechische Söldner) gegen Kyrene geschickt, um die weitere Entwicklung ihrer Machtentfaltung zu stoppen. Die anrückenden Ägypter unterlagen aber den kyrenischen Griechen und wurden fast vernichtet. Die ägyptischen Soldaten gaben Apries die Schuld. Apries beauftragte nun Amasis, der aber von den unzufriedenen Soldaten zum König ausgerufen wurde. Daraufhin kam es zu einer Schlacht von Apries gegen den Verräter Amasis. Die griechische Söldnertruppe des Apries wurde von der ägyptischen Truppe des Amasis geschlagen und Apries gefangengenommen. Er blieb aber noch eine Zeitlang in Königswürden, und er und Amasis regierten gemeinsam, bis es zu einem Streit kam, bei dem Griechen dem Amasis zum Sieg verhalfen.[9] Amasis siegte also und verlegte, wie oben schon gesagt, die griechischen Soldaten nach Memphis. Sie, die anfangs gegen ihn gekämpft hatten, nahm er jetzt zu seiner Leibwache gegen die Ägypter.

„Unter seiner [Amasis] Herrschaft öffnete sich Ägypten vor allem in Richtung des griechischen Auslands. Damit tat er genau das Gegenteil von dem, was die Rebellen gegen seinen Vorgänger Apries eigentlich bezweckt hatten. Laut Herodot war Amasis deshalb zu Beginn seiner Regierungszeit bei seinen ägyptischen Untertanen nicht beliebt und musste sich durch seine geschickte Politik und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Wohlstand erst Respekt verschaffen.

Amasis unterhielt freundschaftliche Beziehungen zu Kyrene und anderen griechischen Stadtstaaten. Diese wurden besonders durch seine Heirat mit Ladike, einer Griechin aus Kyrene, untermauert.(Herodot, II 181) Die griechische Kolonie Naukratis, die um das Jahr 630 v. Chr. gegründet worden war, erhielt in seiner Regierungszeit den Status einer  Freihandelszone. Hier wurde der gesamte Handel zwischen Griechenland und Ägypten abgewickelt, wodurch der Warenaustausch für die Ägypter kontrollierbar wurde. Weiterhin gestattete Amasis den Griechen die Errichtung von Heiligtümern in ihrer Kolonie. Als der Tempel von Delphi abbrannte, spendete er 1000 Talente Silber für den Wiederaufbau. Diese Privilegien wurden von seinen ägyptischen Untertanen als ausgesprochene Griechenfreundlichkeit interpretiert. Amasis „gründete die neue Stadt Naukratis, als Heimat und Markt für die Griechen, in deren Händen sie nun bald zum wichtigsten Handelsplatz Ägyptens, wenn nicht der ganzen Mittelmeergegend, aufblühte. Es war in allem Wesentlichen an griechische Stadt, und die Waren, die in ihren Mauern zu Kauf geboten wurden, waren mit geringen Ausnahmen durchaus unägyptisch. Das geschäftige Leben, das sich auf den Märkten und in den Faktoreien von Naukratis drängte, die Verfassung der Stadt und ihre tägliche Verwaltung glichen genau denen irgendeiner griechisch Industrie-oder Handelsstadt des Mutterlandes. Alle Stämme waren mehr oder weniger an ihre Erfolge und ihrem Aufblühen beteiligt.“[10]

Die Griechen und Karer hatten sich also voll in Ägypten integriert. Für die Anwesenheit der Karer in Ägypten spricht, dass man karische Inschriften sowohl in Westkleinasien als auch in Naukratis gefunden hat.

Und der ägyptisch-griechische Handel florierte. „Die Ägypter versorgten die Griechen hauptsächlich mit Getreide, aber auch mit Leinen und Papyrus,  während die Griechen hauptsächlich Silber, aber auch Holz, Olivenöl und Wein tauschten. Naukratis und die dazugehörigen griechischen „Forts“ im Hauptdelta-Gebiet wurden, wie aus den oben angegebenen Berichten hervorgeht, zu einer immer vorhandenen Quelle von Söldnerkämpfern für die saïtischen Pharaonen. Es waren Männer mit einer überlegenen Hoplitenrüstung und -taktik, die ebenfalls einen unschätzbaren Sachverstand in Bezug auf Schiffsangelegenheiten besaßen.“[11]

Auch Saïs prosperierte. Bei Ausgrabungen fand Dietrich Raue in Saïs griechische Waren, z. B. Vasen, die belegen, dass Psammetich und seine Nachfolger eine wirtschaftliche Fernbeziehung nach Griechenland unterhielten.

Eingeleitet hatte diese Entwicklung Psammetich I. Er war ein mächtiger Herrscher,  der seinen Vater Necho I. postmortal rehabilitierte, indem er gute Politik machte, Ägypten von den Besatzern befreite und wieder zur Blüte brachte. Er nutzte dazu den Kontakt zu Griechen und Griechenland. Für den sehr starken Einfluss der Griechen sprechen auch Nennungen wie agr. Σάϊς  Saïs für ägypt. Sau, Zau, agr.  Ἡλιούπολις Heliopolis für ägypt. Iunu, alttestamentlich On, agr. Ναύκρατις Naucratis oder Naukratis =  Marinekommando für ägypt. Piemro und natürlich der griechisch ausgesprochene Name Psammetich. Er wurde ein internationaler, sehr erfolgreicher Staatsmann. Ägypten und Saïs wurden durch ihn sehr reich und Ägypten wieder mächtig. Psammetich, der auch für Ägyptologen zuvor nur ein Fußnote der Geschichte war, war jetzt ein anerkannter Pharao. Saïs wurde durch ihn zu einer internationalen Großstadt.

Doch erst durch den Fund des Torsos in Al-Matariya im Jahre 2017 wurde auch den Ägyptologen nach der Dokumentation wirklich klar, wie bedeutend Psammetich I., der Begründer der saïitischen Dynastie wirklich war. Denn der Torso besteht aus dem wertvollen, sehr beständigen Quarzit.  Bei der Rekonstruktion der Figur des Psammetich I. wurde deutlich, dass es sich nicht um eine Sitzfigur, sondern um eine 9-11 m hohe Stehfigur handelt. Das konnte man aus dem Faltenwurf an der Oberseite und Rückseite des linken Beins und den Falten des Rocks am Oberkörper erkennen. Diese Merkmale gab es nur, wenn  Psammetich gestanden hat und zwar in einer schreitenden Pose, das linke Bein nach vorne abgewinkelt. Diese Stellung mit schreitender Pose ist klassisch für das Pyramidenzeitalter und ägyptische Könige wie Sesostris III., dessen Standfigur jetzt im ägyptischen Museum in Kairo steht. Die überlebensgroße Figur des Sesostris ist dargestellt mit Lendenschurz, er hat einen breiten, muskulösen Oberkörper, muskulöse Schultern und muskulöse Bauchmuskeln. Er ist dargestellt mit einem göttlichen Bart und einer göttlichen Krone. Die Hände sind geschlossen und halten Gegenstände fest. Sesostris linkes Bein ist nach vorne gestellt. Die Knie sind gut ausgebildet. Die Arme sind mit dem Körper fest verwachsen. Sesostris Figur ist mit einen Hintergrund fest verwachsen und steht auf einer Basis.

Genau so in einer antikisierenden Art ließ Psammetich I. sich modellieren. Er griff dabei zurück auf Modelle, die damals etwa 2000 Jahre zurücklagen. Das diente offenbar dazu zu zeigen, dass er genau so groß und mächtig war wie seine Vorgänger. Seine neu entdeckte Figur im Zusammenhang mit dem, was man schon vorher von ihm wusste, warf ein neues Licht auf ihn und gab ein neues Bild von ihm. Er erneuerte die saitische Kunst. Aber „sie zeigt keinen neuen Aufstieg, keinen Wiederbeginn. Sie wendet sich, wie alle offiziellen Formen der Kultur dieser merkwürdigen Epoche, rückwärts, zu den als klassisch empfundenen Leistungen der Vergangenheit, vor allem des Alten Reiches.“[12]

Psammetich griff offensichtlich bewusst auf längst vergangene Vorbilder aus Ägyptens glorreicher Vergangenheit des Alten Reichs zurück:

„Trotzdem hob sich, unter Psammetichs unermüdlicher Fürsorge, der allgemeine Wohlstand ganz bedeutend. Und mit der wiederkehrenden Ruhe und Ordnung bemächtigte sich des Volkes eine Sehnsucht, die guten alten Zeiten zurückzurufen; ja man versucht bewußt, den erlöschenden Glanz jener vergangenen Tage wieder aufzufrischen, in denen die während der Weltherrschaft von außen her eingeführten Veränderungen und Neuerungen noch nicht existiert hatten.Das Ägypten des Alten Reiches, durch einen Zeitraum von fast 2000 Jahren von ihnen getrennt, besaß in der Vorstellung des Volkes den Nimbus einer idealen Vollkommenheit. Die alten Könige, die damals in Memphis geherrscht hatten, wurden aufs neue verehrt, das Ritual ihres Totendienstes wieder aufgenommen. Sogar ihre Pyramiden wurden gelegentlich ausgebessert und wiederhergestellt. Die uralte Titel und die lange Reihe von Ämtern, welche die vornehmen Herren am Hofe und in der Regierung der Pyramidenbauer getragen hatten, wurden wieder hervorgesucht, und in den äußeren Formen der Regierung wurde alles mögliche getan, um sie mit dem Glorienschein jener uralten Vergangenheit zu umkleiden. Auch die Schrift wurde – wenigstens auf offiziellen Denkmälern – wieder altertümlich gestaltet, und ihre alten Formen müssen die saïtischen Schreiber ein langes und mühsames Studium gekostet haben. Auf dem Gebiete des Kultus bemühte man sich, das Pantheon von auswärtigen Eindringlingen zu reinigen, und auch aus dem Ritual wurde jegliche Neuerung entfernt.“[13]

Das war die eine Seite. Aber „nur auf einem Gebiete war es unmöglich, die Gegenwart in die alten Formen hineinzuzwängen: auf dem der Kunst. Mochte auch in allen anderen Dingen der Mangel an Leben und Initiative sich fühlbar machen – dieser immer blühende Zweig der ägyptischen Kultur bildete eine Ausnahme. Hier war die schöpferische Kraft, die sich schon in der äthiopischen Zeit wieder geregt hatte, noch ungeschwächt, und das künstlerische Gefühl war den neuen Möglichkeiten, die sich unter den neuen Regiment öffneten, vollauf gewachsen. Während mit der Wiederherstellung der alten Religion auch die künstlerischen Motive aus dem Alten Reich in den Reliefs der Grabkammern wieder auftauchten, so ist doch, trotz der Ähnlichkeit dieser Kopien mit ihren alten Vorlagen, bei etwas eingehenderer Prüfung überall eine besondere Art und ein Charakter zu erkennen, der ihnen allein eigentümlich war. Wir finden gerade hier etwas von Freiheit, das der Kunst des Alten Reiches fehlte, und eine weiche Schönheit in den Linien, die den Reliefs der saïtischen Schule eine unbeschreibliche Anmut verleiht. Freilich herrschten im allgemeinen die altherkömmlichen Regeln, doch fand sich hier und da ein Künstler, der sich von ihnen frei zu machen verstand, der den menschlichen Körper im Relief mit richtig gezeichneten Schultern und ohne die dem Stil des Alten Reichs eigenen Verrenkungen wiedergab. Diese Freiheit und die Fähigkeit, die Dinge zu sehen, wie sie waren, führte zu einer Schule der Porträtdarstellung, welche selbst die besten Arbeiten des Alten Reiches übertroffen hat. Ihr Porträtköpfe, im Relief wie in der Rundplastik, verraten ein Studium der knochigen Schädelbildung, der Falten und Furchen der Haut, ja eine Beherrschung der ganzen anatomischen Verhältnisse und einen persönlichen Ausdruck, wie er bisher nur den Ägyptern selbst in den besten Statuen des Mittleren Reiches annähernd ähnlich gelungen war; sie erinnern uns unwillkürlich an die Porträts der italienischen Renaissance.“[14]

Psammetich erscheint widersprüchlich, einerseits rückwärtsgewandt, wie die 2007 entdeckte Kolossalfigur in  Al-Matariya zeigt, andererseits war er ein Suchender und Forschender, der auch gewissermaßen experimentell herausfinden wollte,welche Ursprache die Menschen einst gesprochen hatten. Herodot berichtet eine Anekdote über ihn:

„II, 2 Die Ägypter waren, bevor Psammetichos König derselben geworden war, in dem Glauben, sie wären die ersten unter allen Menschen gewesen; wie nun Psammetichos zur Herrschaft gelangt war, wollte er gern wissen, welche Menschen wohl die ersten gewesen, und von dieser Zeit an glauben die Ägypter, die Phrygier seien vor ihnen da gewesen, sie selbst aber wären älter als alle anderen. Als nämlich Psammetichos durch seine Nachforschung in keiner Weise zu ermitteln vermochte, welche Menschen die ersten gewesen, ersann er folgendes Mittel: er gab zwei neugeborene Knaben gemeiner Leute einem Hirten, der in seiner Herde dieselben aufziehen solle in der Art, dass er – ert gebot er ihm – keine menschliche Stimme vor demselben hören lasse, sondern abgesondert in einem einsamen Gemach sie für sich liegen lassen und zu bestimmten Zeiten Ziegen zu ihnen führe; hätten die Knaben dann mit der Milch der Ziegen sich gesättigt, so möge er weiter seine Geschäfte besorgen. Also tat Psammetichos, und also ordnete er an, weil er wissen wollte, welchen Laut die Knaben, wenn sie über die Zeit des undeutlichen Lallens hinausgekommen, zuerst von sich geben würden. Und dies geschah auch. Den nach Verlauf von zwei Jahren, während welcher der Hirt also tat, wie ihm befohlen war, liefen, als er einst die Türe öffnete und eintrat, die Knaben zu ihm und schrien, die Hände ausstreckend Bekos. Wie dies der Hirte vernommen, verhielt er sich anfangs ruhig, als aber, sooft er zur Pflege der Kinder kam, immer wieder dieses Wort hörte, da machte er sofort seinen Herrn die Anzeige und führte auf dessen Befehl ihm die Knaben vor, und als Psammetichos es selbst gehört hatte, versuchte er zu erforschen, was das für Menschen wärem, welche das Wort Bekos im Munde führten. Bei dieser Erkundigung erfuhr er dann, dass die Phrygier damit das Brot bezeichneten. Aus diesem Vorfall erkannte die Ägypter, dass die Phrygier älter als sie wären, und gaben es es zu. Also vernahm ich den Vorgang von den Priestern des Hephästos zu Memphis, die Hellenen dagegen erzählen darüber mancherlei einfältige Geschichten, so habe auch Psammetichos Weibern die Zunge ausscheiden und dann bei ihnen Kinder aufziehen lassen.“[15]

Psammetich war offensichtlich weltoffen und hatte keine Angst, sich Fremdem und Fremden auszusetzen. So konnte sich eine fruchtbare Beziehung zwischen Griechenland und Ägypten entwickeln. Das gab er auch an seine Nachfolger weiter. Die Beziehung zwischen Griechenland und Ägypten wird auch in einer Bemerkung Herodots deutlich, der berichtet, der Weise Solon sei, um von ihm erlassene Gesetze, an die sich Athener mit Eidschwüren gebunden hätten, nicht zurücknehmen zu müssen, „und auch wohl, um sich umzusehen, außer Landes gereist und nach Ägypten zu Amasis, dann auch nach Sardes zu Krösus gekommen.“[16]

Schon in der Bronzezeit hatten einst Griechen in Ägypten gesiedelt. Auch damals gab es Beziehungen zwischen beiden Völkern, die aber danach lange Zeit abgebrochen waren. Jetzt, ab der  saïitischen Epoche war der Umschlagplatz für Waren und Ideen Naukratis. „Naukratis wurde bald zu einer tiefgreifenden Inspirationsquelle für die Griechen, indem sie sich erneut den Wundern der ägyptischen Architektur und Skulptur aussetzten, die sie seit der Bronzezeit verloren hatten. Ägyptische Artefakte begannen bald entlang der griechischen Handelswege in die Häuser und Werkstätten der ionisch-griechischen Welt und über Ägina in die Stadtstaaten des griechischen Festlandes einzufließen. Obwohl griechische Kunst und Ideen auch in die andere Richtung zurückkehrten, wurden sie doch in einer weitgehend  fremdenfeindlichen ägyptischen  Kultur nur sehr wenig angenommen.

Obwohl Herodot behauptete, dass die Geometrie (γεωμετρία) zuerst in Ägypten bekannt war und dann nach Griechenland hinüberging, wird heute von Wissenschaftlern allgemein akzeptiert, dass das, was die Griechen lernten, eher  nur „Vermessungstechniken“  ähnelte und kaum die Bezeichnung „Geometrie“ verdient im Sinn von einer rein intellektuellen mathematischen Praxis. In der Tat waren Griechen wie Thales bereits vor ihrer Reise nach Ägypten versierte Geometriker, und sehr wahrscheinlich nahm Herodot an, dass die Griechen es von dort bekommen haben müssten, weil die Geometrie γεωμετρία der Ägypter älter war.

In Bezug auf unser modernes Verständnis der Griechen und insbesondere die frühe Verwendung ihres entstehenden griechischen Alphabets haben sich die Funde von Naucratis als grundlegend erwiesen. „Die Inschriften auf Keramik haben ergeben, was Herr Ernest Gardner – anscheinend aus eindeutiger Begründung– in Erwägung zieht, dass sie  sowie einige der korinthischen, melianischen und lesbischen Alphabeten die ältesten ionischen Inschriften sind.“ Von besonderem Interesse sind die verschiedenen Beispiele einer evolutionären Variation der ursprünglichen phönizischen alphabetischen Schrift. Man lernt auch viel, indem man diese Alphabete mit den Formen vergleicht, die sie ein Jahrhundert später annahmen, Formen, die dazu bestimmt waren, in der hellenischen Welt universell zu werden.[17] Die griechische Schrift dürfte etwa ab 800 v. Chr. und damit in etwa zur Zeit des orientalisierenden Stils und zur Zeit von Homer entstanden sein. Robin Lane Fox  (* 1946) zeigt in der Dokumentation  Die Mythen der Griechen eine euböische Vase aus dem 8. Jahrhundert mit phönizischen und griechischen Schriftzeichen, als ob der Schreiben die griechische Schrift geübt hätte.[18] Gleichzeitig  mit Beginn des orientalisierenden Stils kam der geometrische Stil zum Erliegen.

„Die saïtischen Könige wurden freilich von der griechischen Art aufs stärkste beeinflußt, aber die Masse der Ägypter blieb von ihr unberührt. Andererseits müssen die Griechen aus den Beziehungen zu Ägypten Nutzen gezogen haben, wenn auch hauptsächlich materieller Art. Sie fanden dort jene technischen Erfindungen aufs höchste vervollkommnet und zum Gebrauch fertig, die das griechische Genie für die Verwirklichung neuer, höherer Ziele zu benutzen wußte. Sicherlich haben sie eine Menge von künstlerischen Formen von dort entliehen, und die künstlerischen Einflüsse vom Nil, die sich in den Zentren der mykenischen Zivilisation schon unter der 12. Dynastie (2000 v. Chr.) gezeigt hatten, waren in den nördlichen Gegenden noch immer mächtig.[19]

In der oben genannten Dokumentation „Der geheimnisvolle Pharao“ heißt es:

„Forscher wie Dietrich Raue nehmen an, der Koloss habe eine Renaissance im Baue riesiger Statuen eingeleitet. Was die ägyptische Kunst erneuert, aber auch die griechische und schließlich die westliche Kunst verändert habe.“

Raue äußert sich in dem Beitrag dazu: „Ich bin absolut überzeugt davon. Denn wir wissen, dass die Griechen durch die Ägypter enorm beeinflusst wurden. Vor allem im 7. Jahrhundert vor Christus. Vor diesem direkten Kontakt hatte die griechische Kunst eine völlig andere Idee von der Darstellung des menschlichen Körpers. Vor der Herrschaft Psammetichs waren griechische Statuen klein und grob behauen.“ Raue zeigt eine Bronzefigur. „Das hier ist eine Bronzefigur. Der dreieckige Oberkörper und der kleine Kopf sind typisch dafür, wie griechische Skulpturen den menschlichen Körper im 8. Jahrhundert vor Christus darstellen. Nur ein Jahrhundert später sehen griechische Statuen so aus.“  Raue zeigt eine Figur des archaischen Stils.

Der Beitrag fährt fort: „Was hat zu diesem Wandel geführt? Experten halten Psammetichs Koloss nicht für etwas einmaliges. Er ließ zahlreiche errichten während seiner Regierungszeit. Die in Ägypten lebenden und arbeitenden Griechen haben sie gesehen und den Stil in die griechische Kunst exportiert. So wird er zum Grundpfeiler der klassischen westlichen Kunst.“

Und Raue bemerkt „Mit der Entdeckung in Matariya sind wir sicher, dass sie die Idee adaptiert und Ähnliches in ihrer Heimat umgesetzt haben. Das schreitende linke Bein hier und der athletische Körper sind offenbar von ägyptischen Figuren abgeleitet, die die Griechen in Ägypten gesehen haben.“

Der Beitrag fährt fort: „Dietrich Raue zufolge haben die gigantischen Figuren des Psammetich die westliche Kunst entscheidend beeinflusst. Offensichtlich nehmen griechische Figuren des 7. Jahrhunderts vor Christus den ägyptischen Stil auf, und er führt schließlich zu den berühmtesten Figuren der Geschichte.  Dazu ergänzt Raue: „Letztendlich ist es der Anfang eines Weges, der mit den ersten Zentimetern in Ägypten beginnt und in wunderbaren Werken wie Michelangelos David endet.“ Der Beitrag konstatiert: „Offenbar sind die Statuen des Psammetich das Vermächtnis seiner erfolgreichen Herrschaft.“

Und in der Dokumentation äußert sich der Althistoriker und Professor für griechische Kultur an der Universität Cambridge Paul Cartledge: „Das Erfolgsgeheimnis von Psammetich war eine Kombination aus Tradition und Fortschritt und die Bereitschaft, wichtiges Personal von außerhalb nach Ägypten zu holen. Das ist ungewöhnlich für die ägyptische Monarchie.“

Der Beitrag kommt zu dem Schluss: „Die Entdeckung des Kolosses von Psammetich veranlasst die Experten, die Herrschaft des vergessenen Pharao neu zu bewerten. Bisher war er lediglich eine Fußnote in der Geschichte. Doch dieses monumentale Werk stellt seinen Ruf wieder her. Und er nimmt den ihm zustehenden Platz im Rampenlicht ein.“

2. Die Geschichte der griechischen Kunst vor dem 7. Jahrhundert

Schon in der Bronzezeit gab es im östlichen Mittelmeerraum großartige Kulturen und auf dem Seeweg vielfältige Handelsbeziehungen. Die Verwendung der Bronze als Metall z.B. zum Anfertigen von Waffen benötigte dies. Zwischen Kreta, Zypern, den Hethitern, Syrien, Mesopotamien, den Mitanni und Ägypten entwickeltes sich deshalb ein reichhaltiges Handelsnetz. Alle diese Kulturen waren nämlich auf Zinn und Kupfer als Material angewiesen. Daneben wurde z. B. mit Keramik, Goldschmiede- und Elfenbeinarbeiten Handel getrieben.

Eine dieser bronzezeitlichen Kulturen war die ägäische Kykladenkultur auf den Inseln rund um (kyklos, cyclus = Kreis) die Insel Delos. Sie begannt noch in der Steinzeit um 5000 v. Chr., ging dann um 3000 v. Chr. in die Bronzezeit über und endete etwa um 1100 v. Chr. Nach einer Inselgruppe in der südlichen Ägäis ist die Kultur der Kykladen benannt worden. Diese Kultur entwickelte sich, durch die Insellage bedingt,  ganz eigenständig. Bekannt geworden sind die sogenannten „Kykladenidole“ oder „Kykladenfiguren“.

In der kykladischen Jungsteinzeit gab es zwei sehr abstrakte bis 10 cm hohe Typen von Figuren aus Marmor aus Paros oder Naxos oder aus Keramik, das Idol vom Schultertyp und das Idol vom Violinentyp. Beide Figurentypen haben keinen Kopf auf dem Hals. Das Gesicht fehlt. Auch Beine fehlen. Beim Violintyp sind Arme angedeutet. Möglicherweise sind es Idole der „Großen Göttin“.

Diese Figuren wurden in der Bronzezeit durch so genannte Vorkanonische und Kanonische Formen abgelöst. Man nennt die Kanonische Figuren so, weil offensichtlich zu ihrer Herstellung ein allgemein benutztes Proportionsschema verwendet wurde. Bei regulären Ausgrabungen wurden derartige Idole in Gräbern gefunden. Von vielen Figuren ist der genaue Fundort aber unbekannt, da sie aus Raubgrabungen stammen. Die Größe der Figuren geht von 10 cm bis 50 cm, aber auch bis 1.40 m. Es gibt eine Entwicklung in der Art der Herstellung dieser Idole über mehrere Stufen und auch regionale Unterschiede. Man unterscheidet den Plastirastyp, den Lourostyp, den Kapsalatyp, den Spedostyp, den Dokathismatatyp und den Chalandrianityp. Schon bei Figuren vom Plastirastyp und dem Lourostyp aus der Zeit um 3000 v. Chr. findet man schematisierte Gesichter mit einer länglichen Nase, wobei bei ihnen, anders als bei anderen Typen, die Beine durch eine Kerbe getrennt sind.

Man findet Darstellungen von Männern, die mit einer Harfe oder einer Pfeife spielen. Auch gibt es ganze Figurengruppen und Sitzgruppen. Der Hauptteil der Idole aber besteht aus gestreckten nackten weiblichen Figuren. Die Figuren sind aber nicht anatomisch gebildet, sondern sie sind  abstrakt geometrisch geformt. Manchmal ist ein Gesicht mit Nase geformt, die Figuren waren aber bemalt, und oft waren die Gesichter  aufgemalt. Wenn das Gesicht außer der Nase nicht ausgebildet ist wie in dem 27 cm hohen Figurenkopf im Louvre in Paris ist die Figur für heutige Betrachter ganz abstrakt. Die weiblichen Figuren haben Brüste, sie verschränken die Arme über den Bauch, wobei der rechte Arm unter dem linken liegt. Oft ist die weibliche Scham durch eine Ritzung angedeutet. Die Beine liegen oft eng bei einander.  Damit ist die Figur eng  geschlossen. Die geschlossene Haltung mit den verschränkten Armen könnte eine Gebärende kurz vor der Geburt darstellen. Vielleicht war aber die Kunst der Marmorbearbeitung noch nicht so ausgereift, dass die Arme sich frei bewegen durften. Auch andere Deutungen wurden vorgenommen. Die Figuren des Kapsalatyps sind liegend dargestellt, bei ihnen fehlt ein Schamdreieck wie auch oft bei den Figuren vom Spedostyp, die am häufigsten gefunden wurden. Die kykladische Kunst und Kultur überschnitt sich noch mit der minoischen Kultur und starb dann aus. Offensichtlich hinterließ sie bei ihren Nachfolgern keine sichtbaren Spuren. Warum sie ausstarb, darüber wird noch gerätselt. Sie kann auch nicht als gesamtgriechische Kultur angesehen werden, dazu ist sie regional zu begrenzt.

Auf Kreta entstand um 3000 v. Chr. gleichzeitig mit dem Fühhelladikum der helladischen Kultur auf dem griechischen Festland und der ersten Dynastie in Ägypten die erste Hochkultur Europas. Es ist die so genannte minoische Kultur. Sie ist berühmt für ihre luxuriösen Paläste, besonders für den verschachtelten Palast in Knossos („Labyrinth“), für schöne bunte Fresken sowie die bemalte Keramik und Silberarbeiten. Mit dem Labyrinth beschäftigt sich ein altgriechischer Sagenkreis, in dem Minos, der Minotaurus, Dädalus und Ikarus sowie Theseus und Ariadne eine Rolle spielen. Nach dem mythischen kretischen König Minos nennt man die kretische Kultur minoisch.

Die minoische Kultur hat folgende Perioden: die frühminoische Zeit etwa 2800-1900 v. Chr., die erste Palastepoche (mittelminoische Zeit) 1900-1700 v. Chr. und die zweite spätminoische Palastepoche etwa 1700-1450 v. Chr., die übergeht in die mykenische Periode 1450-900 v. Chr. Schon von Anfang an gab es Fernbeziehungen z. B. nach Ägypten und Syrien. Es gab zwei entscheidende Einschnitte. Ein Erdbeben um 1700 v. Chr. zerstörte viele Paläste. Die Gesellschaft konnte sich aber erholen, mit dem Wiederaufbau der Paläste begann die spätminoische Zeit. Das zweite große Ereignis war der Vulkanausbruch auf Santorini, damals Thera. Um 1540 v. Chr. Wie man auf Grund der Schrift Linear B, die man als griechisch erkannte, wurde der minoische Bereich in den mykenischen Bereich einbezogen.

Die Kunst der Minoer lässt sich auch etwa nach den obigen Perioden gliedern. Ihre Produktion begann besonders während der mittelminoischen Zeit der ersten Palastepoche. Die Keramik war hoch entwickelt. Nach Vorentwicklungen verschiedener Keramikstile seit der Jungsteinzeit entwickelte sich in der kretischen Bronzezeit während der ersten Palastepoche ein neuer Stil. Keramiken mit matten schwarzen Grund wurden mit weißer und roter Farbe verziert und zeigen Girlanden und Spiralen. Sie waren im Mittelmeerraum so beliebt, dass sie auch nach Ägypten gehandelt wurden und werden Keramiken vom Kamares-Stil genannt. Wegen der dünnen, brüchigen Anfertigung der Keramiken werden sie als Eierschalenware bezeichnet. Sie wurden mit einer sich langsam drehenden Töpferscheibe angefertigt, anders als in der Folgezeit, als eine sich schnell drehende Töpferscheibe eingeführt wurde. In der zweiten Palastperiode erscheinen dann Pflanzen (Schilfe, Gräser, Lilien, Papyrusstauden, Safran, Iris und Blätterwerk) und Tiere, vor allem Meerestiere wie der Oktopus, Seesterne, der Nautilus, Korallen, Schwämme  und Tritonschnecken, aber auch Vögel als Motive, weshalb man die Bezeichnungen Floralstil (Pflanzenstil) und Meeresstil gewählt hat.

Auch schon im Neolithikum gab es Freskomalerei auf Kreta. Als aber dann in der Altpalastzeit auf Kreta die Al-fresco-Technik, bei der auf dem noch frischen Putz gemalt wird, erfunden worden war, wurden viele Wände mit Fresken ausgemalt. Es finden sich viele Stiere und Stierspringerszenen, auch Delphine, Jünglinge mit Wespentaille und wunderhübsche Mädchen. Ein herausragendes Merkmal ist, dass die Menschen und Tiere in Bewegung dargestellt wurden. Diese Fresken waren in der Neupalastzeit etwas so Besonderes, dass in fern abliegenden ausländischen Städten und Staaten (Alalach und Quatna in Syrien, Tel Kabr in Kanaan, die Hethiter-Hauptstadt Hattuscha,  Auaris im Nildelta) derartige Fresken auch gemalt wurden und zwar von kretischen „Leiharbeitern“. Denn „die „Fernausleihe“ von Künstlern, aber auch von Ärzten oder Zimmerleuten, an befreundete Herrscher war ein generöses herrscherliches Geschenk.“[20]

Es gab aber auch plastische Kleinkunst wie die berühmte Statuette einer Schlangengöttin mit entblößter Brust aus dem Palast von Knossos von ca. 1600 v. Chr., ein damals beliebtes Motiv. Es gab aber auch Statuetten von Stieren.

Die künstlerischen Einflüsse vom Nil auf die minoische Kultur zeigen sich zum Beispiel im so genannten Kouros von Palaikastro auf Kreta aus spätminoischer Zeit (von ca. 1650 bis 1450 v. Chr.), den man im Museum in Sitia bewundern kann. Die Figur war zerschmettert worden und wurde in verschiedenen Gebäuden zerstreut aufgefunden. Man fand nicht alle Teile. Die vorhandenen wurden zusammengesetzt. Der Kouros ist 54 cm hoch und stellt vielleicht einen Gott dar. Das Material bestand aus  mit Gold aufgelegtem Elfenbein aus Flusspferdzähnen, Holz, dem Mineralpigment Ägyptisch Blau, der Kopf aus dem Gestein Serpentitit und die Augen aus Bergkristall. Die Figur war also sehr wertvoll gebildet. Der Oberkörper ist fast dreieckig geformt. Die Figur hat abstehende, gebeugte Arme. Wie bei ägyptischen Figuren ist das linke Bein nach vorne gerichtet. Sie ist ein Beispiel dafür, dass schon in spätminoischer bzw. mykenischer Zeit auf Kreta Kouroi gebildet wurden, die zudem die typische Beinstellung ägyptischer Figuren besaßen.

Am Beginn des 14. Jahrhunderts setzten sich mykenische Griechen auf Kreta fest. Auf dem griechischen Festland gab es bronzezeitliche Kulturen, die man in drei Perioden aufteilt: das Frühhelladikum (ca. 3000–2100/2000 v. Chr.), das Mittelhelladikum (2100/2000–1600 v. Chr.) und das Späthelladikum  (1600–1050/1030 v. Chr.). Das Späthelladikum nennt man auch die Mykenische Kultur. Es gab gewaltige mykenischen Paläste in Mykene, Tiryns, Pylos, Theben und Athen. Dass die Eroberer, die Kreta übernahmen, Griechen waren, zeigt die Schrift Linear B, die auch von den Mykenern auf dem Festland benutzt wurde und griechisch war.  Auch die Mykener hatten seit dem Späthelladikum eine eigenständige mykenische Keramik, die aber wohl unter minoischem Einfluss stand. Die Mykener hatten auch Kontakte über die Alpen bis zur Nordsee und erwarben von dort Bernstein, der über Bernstorf als Zwischenstation nach Mykene gebracht/geholt wurde. In Bernstorf bei Freising wurde ein in Bernstein geritztes Gesicht mit einem „unergründlichen“ Lächeln gefunden, das jetzt im Kranzberger Museum zu finden ist und mit dem Antlitz auf der Goldmaske des Agamemnon von Mykene verglichen wurde. Mykene war damals ein Umschlagplatz für Bernstein u.a. bis nach Ägypten. Aus der so genannten Mykenischen Palastzeit kennt man herrliche Fresken mit Menschendarstellungen. In den mykenischen Palästen findet man auch Wandmalereien mit Jagd- und Kampfszenen. Mit der mykenischen Kultur verbindet sich ein Großteil der alten griechischen Sagenwelt.

Die mykenische Palastkultur, aber auch das Reich der Hethiter, die Assyrer, Mitanni und die Stadtstaaten Syriens gingen im 12. Jahrhundert vor Chr. unter. Beinahe hätte auch Ägypten dieses Schicksal erreicht. Aber warum? Bekannt ist, dass Ramses III. im Jahre 1177 v. Chr. die so genannten Seevölker durch eine Schlacht im Nildelta besiegen konnte. Waren es also die Seevölker, die zu dieser Zeit das östliche Mittelmeer überfluteten? Die Wahrheit ist wohl etwas komplexer.

Bei Scimondo fasst Ute Keck unter Bezug auf Eric Cline von der George Washington Universität in den USA im August 2018 die Ergebnisse der Forschung zusammen. Jahrhundertelang hatte der Handel im Mittelmeerraum floriert, die Staaten prosperierten. Im östlichen Mittelmeer gab es eine Art „globale, eng miteinander vernetzte Welt“ zwischen den minoischen und mykenischen Griechen, Zypern, den Hethitern, den Mittani im heutigen Syrien, den Kanaanitern, Assyrern, Babyloniern und Ägyptern. Dieser internationale Handel war der Bronze geschuldet. „Da die meisten Länder nicht über Kupfer und Zinnvorkommen verfügten, um Bronze herzustellen, entwickelte sich in dieser Zeit ein reger Handel mit anderen Ländern. So besaß etwa Zypern reiche Kupfervorkommen, was sich auch in seinem Namen widerspiegelt. Zinn kam teils aus der Südtürkei. Der Hauptanteil stammte jedoch aus Afghanistan in der Region Badachschan.“ Es ergab sich eine Arbeitsteilung und eine enge Vernetzung  zwischen den Völkern, von der alle Gewinn hatten. Deshalb konnten die Kulturen aufblühen.

Dann kamen die Seevölker. Sie bestürmten alle Hochkulturen des östlichen Mittelmeeres, die bis auf Ägypten, das aber sehr getroffen war, zusammenbrachen. Wer waren diese Seevölker und waren sie die Ursache des Zusammenbruchs der Kulturen? Neben anderen von Ramses genannten Völkern gehörten die  Peleset/Philister eindeutig zu den Seevölkern.  „Klar ist auch, dass sich zu dieser Zeit die Philister und andere Gruppen der Seevölker in der Regionen des heutigen Libanon, Syrien und Israels niederließen. In Siedlungen der Philister fanden Archäologen Töpferwaren, die einen mykenischen Stil aufwiesen und aus Ton von Zypern oder Rhodos hergestellt worden waren. Inzwischen sind sich die meisten Forscher einig, dass die Philister vermutlich aus dem ägäischen Mykene stammten. … Doch die Seevölker waren nicht nur plündernde Seeräuber. Wie Ramses sie darstellte, kamen sie mit ihren gesamten Familien zu Wasser und auch zu Lande. Es war mehr ein Auszug, wie bei einer Völkerwanderung, mit Ochsenkarren auf denen die Menschen ihr gesamtes Hab und Gut mitführten. … Bisher glaubte man, eine Dürre habe die Seevölker dazu gezwungen ihre Heimat zu verlassen. Die Raubzüge dieser hungrigen Menschen hätten zu einem Zusammenbrechen der Handelswege geführt, was das fragile System der eng miteinander vernetzten Kulturen kollabieren ließ. Doch diese Theorie ist etwas zu einfach. Und es gibt gute Gründe anzunehmen, dass die Seevölker nicht nur Auslöser, sondern auch Opfer eines komplexeren Geschehens waren.“ Wie sich nachweisen lässt, gab es in der ganzen Region der genannten Hochkulturen vom frühen 12. bis 9. Jahrhundert v. Chr. wesentlich weniger Niederschläge und eine große Dürre. Dadurch kam es zu Hungersnöten, wie Schriftwechsel aus damaliger Zeit beweist. Die Invasoren, die man Seevölker nennt, kamen wohl, vom Hunger aus ihrer Heimat Mykene vertrieben, in die anderen Länder und zerstörten dort alles. Dazu kamen Erdbeben und innere Unruhen. Alle diese Ereignisse zusammen führten zu einem Zusammenbruch der Handelsrouten und des bisher gut florierenden Handels. Es kam nach Cline zu einem Systemkollaps mit dem  Zusammenbrechen der zentralen Verwaltung der Staaten, dem Verschwinden der Elite-Klasse, dem Kollaps der zentralisierten Wirtschaft und der Veränderung der Siedlungsstruktur mit einem Rückgang der Bevölkerung, und zwar über längere Zeit.[21] Auch Troja wurde zerstört.

Nach der mykenischen Zeit lag Griechenland vom 12. bis 9. Jahrhundert v. Chr. während der „dunklen Jahrhunderte“ also politisch und kulturell darnieder.

Was folgte, war nämlich eine dunkle, schriftlose Zeit. Man spricht in Bezug auf Griechenland vom griechischen Mittelalter oder dem Dunklen Zeitalter Griechenlands, den Dark Ages, die sich ab ca. 1200 v. Chr., dem Ende der sogenannten Mykenischen Palastzeit, bis zum Beginn der orientalisierenden Phase der griechischen Kunst um 750 v. Chr. erstreckte. Dunkles Zeitalter heißt diese Epoche, weil es keine schriftliche Überlieferung und nur wenige Fundstücke aus dieser Zeit gibt. Das bedeutet aber nicht, dass es in allen Bereichen einen Stillstand gab. Es war sogar eine sehr kreative Epoche.

Die Kunst beschränkte sich vor allem auf die Keramik. Nacheinander gab es hier die postpalatiale, protogeometrische und die geometrische Epoche (diese etwa 900 v. Chr. bis 700 v. Chr.). Der protogeometrische Stil gilt als Übergangszeit zwischen der mykenischen Stilrichtung und dem geometrischen Stil.

Besonders kreativ ist die Kunst der geometrischen Epoche .

Der geometrische Stil zeichnet sich (ab 750 vor Chr.) durch kleinplastische Objekte  (die großplastischen Holzplastiken/Xoana sind verrottet) wie Statuetten von Pferden, Vögeln und Menschen, Kriegern und Wagenlenkern aus, die aus die Ton, Bronze, Marmor und Elfenbein hergestellt waren und geometrische Grundformen wie Kreise, Dreiecke, Rauten, Zickzack und Mäander aufweisen. Die Bilder sind nach streng mathematisch-geometrischen Regeln hergestellt, wozu auch ein Lineal und ein Zirkel benutzt wurde. Die geometrische Keramik und die in Gräbern gefundenen Vasen sind entsprechend mit derartigen Darstellungen und geometrischen Mustern bemalt. Menschen zeigen oft den Epiphaniegestus, eine betende Haltung mit erhobenen Armen. Die Haltung der Statuetten ist sehr steif, unlebendig, nur grob gebildet, die Form kubisch. Bei den Statuetten handelt es sich um Weihegeschenke. Figürliche Darstellungen gab es zuerst auf (korinthischen) Vasen, also in der Keramik, erst danach findet man sie ab 770/750 v. Chr. auch in der Plastik. Eine Statuette dieser Zeit ist die bronzene Figur eines betenden Mannes mit Helm, die in Olympia in Griechenland aufgefunden wurde und sich heute in der Antikensammlung der Staatlichen Museen in Berlin (Inventarnummer Ol. 9000) befindet. Auffällig ist, dass die Beine nicht nebeneinander stehen, sondern dass die Figur eine schreitende Haltung aufweist. Wobei, wenn die Figur richtig aufgestellt ist, das rechte Bein steht und das linke Bein gerade von hinten nach vorne schreitet. Eine andere Figur „Der Wagenlenker“ (Inventarnummer Ol. 3680) hat das linke Bein nach vorne gestellt. „In der geometrischen Periode zeigt sich kein Interesse am menschlichen Gesicht als solchem; es wird, wenn überhaupt, zusammenfassend und impressionistisch behandelt.“[22]

Ab etwa 750 v. Chr. veränderte sich die griechische Welt rasch und dynamisch. Im griechischen Siedlungsraum fand ein Wandel statt, der dazu führte, dass sich die Angehörigen der verschiedenen griechischen Stämme zunehmend als Griechen fühlten. Die Olympischen Spiele als panhellenische Spiele unterstützten diese Tendenz. Die ersten Olympischen Spiele fanden im Jahre 776 statt.

Ob und wann Homer gelebt hat, ist unklar, wahrscheinlich lebte er in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts und/oder in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts v. Chr. Herodot schreibt, Hesiod und Homer seien um vierhundert Jahre und nicht mehr älter als er selbst gewesen[23], das verweist auf die Zeit um 850 v. Chr. Man nimmt heute an, dass Hesiod vor 700 v. Chr. geboren wurde. Die Griechen nahmen seit etwa 800 v. Chr. das Alphabet von den Phöniziern an und gestalteten es zu ihren Zwecken um.  Nach dem Verlust der Linear-B-Schrift, die einer Schrift der Herrschersitze war und vor allem zu Verwaltungszwecken gebraucht wurde, war durch das neue griechische Alphabet die Alphabetisierung großer Bevölkerungsteile möglich wurde. Mit Homer und Hesiod konsolidierte sich die griechische Mythologie und Religion. Die Ilias Homers gehörte seitdem zum schulischen Bildungsgrund der Griechen. Szenen aus der Ilias kennt man ab etwa 625 v. Chr. auf geometrischen Vasen. Allerdings dauerte es lange, bis sich das ionische oder milesische Alphabet durchsetzte, im Jahre 403 v. Chr. in Athen eingeführt wurde und so andere Varianten als Norm verdrängte. In der Metallbearbeitung ersetzte Eisen zunehmend die Bronze. Die Vasenmalerei und Kleinplastik verwandelten sich von der geometrischen Kunst zur orientalisierenden Kunst.

Kennzeichen dieser sog. Griechischen Renaissance sind starkes Bevölkerungswachstum, Steigerung der materiellen Produktion, Etablierung autonomer Stadtstaaten (Poleis), Gründung neuer Städte im ganzen Mittelmeer- und Schwarzmeerraum (Große Griechische Kolonisation).

Politische Umwälzungen führten dazu, dass um circa 700  v. Chr. Oligarchien und Stadtstaaten sich an der Stelle von Königreichen etablierten.  Nach dem Zusammenbruch der großen Herrschersitze entwickelten sich nach und nach neue politische Formen, die eines derartigen Herrschersitzes nicht mehr bedurften. Langsam bildete sich die Polis und damit Stadtstaaten als neues politisches Zentrum heraus. In den Stadtstaaten wurden gegen Ende der dunklen Epoche große Tempel gebaut. Es begann gegen Ende dieser Zeit die griechische Kolonisation. Der internationale Handel (der nie ganz erloschen war) intensivierte sich wieder.

3. Der orientalische Einfluss auf die griechische Kunst

An die geometrische Kunst schloss sich dann die orientalisierende Phase  etwa ab 750 v. Chr. an.

In der Keramikkunst der Vasenmalerei des orientalisierenden Stils wurden Greifen, Sphingen und Löwen als Motive aus dem Orient übernommen. Das zeigt die starke Verbindung, die zwischen Griechenland und dem Orient bestand. Man spricht auch vom korinthischen Stil, da er besonders in Korinth gepflegt wurde. Dieser orientalisierende Stil stammt besonders von den Hethitern und den Phöniziern ab. Jetzt um 600 v. Chr. löste sich der geometrische Stil zusehends auf. Die ersten menschlichen, noch von den Phöniziern beeinflussten Menschendarstellungen in Rhodos  sind sehr einfach. So eine Relieffigur (Figur 82), die noch stark geometrisch geformt ist. Die Figur hat eine geometrische Frisur (oder einen Hut?). Die Augen sind hohl. Der Kopf ist annähernd dreieckig geformt. Die Beine stehen geschlossen nebeneinander, die Arme sind bei offenen Händen ganz eng an die Schenkel angelehnt. Der Corpus bildet ein Dreieck, dessen Spitze in der Schamgegend endet. Frederik Poulsen kommentiert:

„Die dreieckige Form von Figur 82 ist überaus bezeichnend. So sah also die griechische Kunst aus, als sie von der geometrischen Primitivität wieder emporzusteigen begann. Die Phönizier waren die Lehrmeister. ….. Überhaupt lehren diese beiden letzteren, etwas besseren, in Sparte gefundenen Figürchen, daß das Höchste, was ein damaliger griechischer Kunsthandwerker erreichen konnte, war, daß man seine Werke mit denen der Phönizier verwechselte.“[24]

In dem 1912 erschienenen Buch „Der Orient und die frühgriechische Kunst“[25] von dem dänischen klassischen Archäologen Frederik Poulsen (1876-1950)  beschreibt der Autor die Entwicklung der frühgriechischen Kunst. Nach ihm ist die frühgriechische Kunst orientalisierend. Deshalb müssten die Motive im Orient, teilweise auch in Ägypten gesucht werden. Es habe starke phönizische und auch hethitische Einflüsse gegeben, die besonders Schalen, Metallgefäße, Elfenbeinarbeiten und auch weitere Werke der Kleinkunst betrafen, bevor die Ägypter seit Psammetich stilbildend wurden. Das heißt, zuerst kamen Anregungen aus dem Orient und hier besonders aus Syrien und von den Phöniziern, dann er solche aus Ägypten. Für die weitere Entwicklung zur frühgriechische Kunst spielten nach Poulsen Zypern und besonders Rhodos eine große Rolle. „Während die kyprische Kunst ganz wie die phönikische selbst aus ägyptischen und orientalischen Elementen gemischt ist und nie eine wirkliche individuelle Schöpferkraft bewies, gelangte in der ersten künstlerischen Entwicklung der Nachbarinsel Rhodos bei aller Nachahmung des Orients die griechische Eigenart am frühesten zum Durchbruch.“[26]

Rhodos war also sehr wichtig für diesen Übergang. Was prädestinierte gerade Rhodos dazu, den Übergang von der phönizischen zur frühgriechischen Kunst zu befördern? „Um das Ganze am Ende kurz zusammenzufassen, so zeigt die Entwickelung der sogenannten altrhodischen Keramik, daß ihre Heimat ein Ort sein muß, wo Griechen und Phöniker in engem und langem Verkehr zusammen lebten. Und da ist Rhodos bei weitem Milet vorzuziehen. Auch die weite Verbreitung der Gefäße spricht keineswegs, wie man behauptet hat, gegen diese Annahme. Die Flotte der rhodischen Handelsherren verkehrte mit Ägypten so gut wie mit Italien, und eben die reichen Funde rhodischer Kleinkunst von den alten, geometrischen Vogelschalen an auf italischem Boden zeugen von der Bedeutung und Ausdehnung des rhodischen Handels schon im VIII. und noch mehr im VII. Jahrhundert. Die Rhodier waren überhaupt die einzigen asiatischen Griechen, welche in diesen frühen Zeiten Kolonien auf Sizilien und dadurch regen Verkehr mit Italien hatten, während das von Milet durchaus nicht gilt. Die Beurteilung der Funde von altrhodischen Vasen in Südrußland hängt dagegen mit der Untersuchung der in Milet selbst gefundenen Scherben dieser Gattung zusammen, denn hier oben waren tatsächlich nur die Milesier als Kolonisten tätig.“[27]

4. Der ägyptische Einfluss auf die griechische Kunst

Das eine war also der orientalische Einfluss auf die frühgriechische Kunst. Wie steht es aber um den ägyptischen Einfluss zur Zeit der saitischen Könige?

„Für die Bestimmung der ursprünglichen Heimat der altrhodischen Vasen sind auch die Funde von Naukratis sehr wichtig, denn zu der Tatsache, daß diese Vasen dort am zahlreichsten vertreten waren, reiht sich die andere, daß auch die Kleinplastik im VII. Jahrhundert auf Rhodos und in Naukratis fast identisch ist. Das gilt sowohl von den kleinen „Apollines“, den primitivsten unter allen wie von den übrigen Kleinfiguren (Löwenbändigern u.a.) mit  dem aufgemalten Lendenschurz, die ich anderwärts besprochen habe. Die Strömung künstlerischer Motive begann bald den entgegengesetzten Weg nach Rhodos zurückzugehen; schon um die Mitte des VII. Jahrhunderts beginnt die erste, direkte Einwirkung Ägyptens auf Ionien, nachdem Psammetich das Nilland geöffnet hatte, und Rhodos steht auch hier im Vordergrund. War es doch das lindische Athenaheiligtum, in welches Amasis die ersten ägyptischen steinernen Statuen stiftete, und schon bei den oben genannten, frühen Apollines können wir nicht mehr sicher sagen, ob nicht schon direkter ägyptischer Einfluß vorliegt. Nach den Perücken zu urteilen scheint es so. Und um das Jahr 600 steht die rhodische Kleinplastik deutlich unter ägyptischem Einfluß. So löste der ägyptische den phönikischen Einfluß ab, und  das ist wohl der Grund gewesen, weshalb die Rhodier, die ja doch in der späteren Überlieferung als die Schöpfer der griechischen Plastik genannt wurden, in der archaischen Kunst des VI. Jahrhunderts eine so geringe Rolle spielen. So unpersönlich wie die Kyprier waren sie nie, und sie haben in den frühesten Zeiten viel zur Entwickelung einer nationalen Griechenkunst beigetragen. Aber der Schwerpunkt liegt später im eigentlichen ionischen Gebiet, und deshalb hat man in der modernen Kunstgeschichte die Rhodier vergessen und verkannt.“[28]

Und „dass Ionien in Ägypten zur Zeit Amenophis´II. (1388-1352/50 v. Chr.) bekannt war, wissen wir seit der im Jahre 2005 erfolgten, sensationellen Entdeckung eines Sockelfragmentes von einer Statue des Pharaos, die in dessen Totentempel in Theben-West stand; darauf ist „Ionien“ neben anderen Fremdnamen in Hieroglyphen zu lesen.“[29]

Neben orientalischen Einflüssen etablierten sich jetzt ägyptische Einflüsse. Und das hing mit Psammetich zusammen.

Durch die Begegnung mit Psammetichs Standfiguren (und vielleicht auch die neue Kenntnis von  Standfiguren älterer Pharaonen, z. B. von Ramses II.?) entwickelte sich in Griechenland eine neue Kunstrichtung, der Archaische Stil. Es gab Figuren der Freiplastik und der Reliefplastik.

Dazu gehört auch die Übernahme der an den Schenkel anliegenden geschlossenen Hände, wie sie Pharaonen zeigen, in das Kourosschema. Dieses Merkmal der Kourosfigur musste sich erst entwickeln. Frederik Poulsen schreibt: „Zum Schluß sei noch auf ein Detail aufmerksam gemacht, das für die frühgriechische Kunst vom höchsten Interesse ist, nämlich auf die an den Schenkeln anliegenden, geschlossenen Hände der Bronzefiguren Nr. XXXVIII, XL, XLI. In der primitiven, griechischen Kunst, die durch zahlreiche, kleine Denkmäler in diesem Buch illustriert ist, liegen die Hände flach ausgebreitet an den Schenkeln an, und so ist es vereinzelt noch der Fall im VI. Jahrhundert, z. B. bei der Frauenfigur vom samischen Typus aus Ephesus, die wir oben besprochen haben, ferner bei ihrem männlichen Verwandten, einem Bronzeapollon in Stockholm, bei den auf dem Bronzewagen von Monteleone abgebildeten Apollines, bei der unten zu besprechenden Frauenfigur von Auxerre u.a. Man pflegt die geschlossene Haltung der Hände, die wir bei unserer jetzigen Kenntnis der frühgriechischen Skulptur unmöglich für autochthon halten können, aus der ägyptischen Kunst herzuleiten und was entschieden dafür spricht, ist das Vorkommen dieser Haltung der Hände schon bei einer sehr primitiven Apollofigur aus Naukratis, während ein damit verwandter, rhodischer Kuros noch die altgriechischen, flach anliegenden Hände hat. Ich glaube auch, daß der Sieg dieser Geste der geschlossenen, seitlich anliegenden Hände durch den frischen Strom direkten ägyptischen Einflußes seit dem Ende des VII. Jahrhundert veranlaßt wird, und die naukratitischen Kleinfiguren können diese Ansicht nur stärken. Aber es ist doch nicht ausgeschlossen, daß phönikische Kleinfiguren von ägyptischen Typus die ersten Vorbilder gewesen sein könnten, wie Pottier vermutet, wenn wir wir schon unter den Figuren des VII, Jahrhundert und zwar frühestens bei der rhodischen Alabasterfigur Abb. 94 diese spezifisch ägyptische Haltung der Hände vorgebildet finden.“[30]

5. Dädalische Kunst

Auf die Epoche der geometrischen Kunst, die sich etwa von 1000 bis 700 v. Chr. erstreckte, folgte die archaische griechische Kunst (700-480 v. Chr.). Die älteste Phase der archaischen Kunst und Plastik des 7. Jahrhunderts v. Chr. wird dädalische Kunst genannt. Sie liegt zwischen der geometrischen und archaischen Zeit und stammt wohl aus dem Nahen Osten. Altgriechisch heißt δαιδάλλω daidállo kunstvoll und mit Geschick (aus)arbeiten, verzieren und δάίδαλλον dáidallon das Kunstwerk, die Verzierung. Nach diesen Wörtern wurde wohl Dädalus genannt, der mythische Enkel des athenischen Königs Erechtheus, der seinen Neffen ermordete und deshalb vom Aeropag nach Kreta ins Reich des Minos verbannt wurde. Es heißt auch, er habe, als er auf Kreta bei Minos lebte, im Auftrag dessen Frau Pasiphaë eine Kuhattrappe gebaut, mit deren Hilfe sich Pasiphaë mit einem Stier des Poseidon geschlechtlich vereinigte, woraus der berühmte Minotaurus abstammte. Dädalus soll im Auftrag von Minos daraufhin das Labyrinth und den Palast gebaut haben. Es ist auch der Dädalus, der, um aus Kreta fliehen zu können, für sich und seinen Sohn Ikarus aus Federn von Vögeln und dem Wachs von Kerzen Flügel anfertigte und fortflog, dabei aber seinen Sohn Ikarus verlor, weil dieser der Sonne zu nahe gekommen war, worauf das Wachs schmolz und Ikarus abstürzte. Nach dem Tod des Sohnes Ikarus soll Daedalus sich in Cumae aufgehalten, dort den Tempel von Apollo gebaut und Apollo seine Flügel gewidmet haben. Dann findet man ihn auf Sizilien beim König Cocalus, der ihm den Auftrag zum Bau eines Aquädukts, des Abwassersystems und der Mauern von Agrigent gab. Dort suchte Minos ihn auf, Minos wurde aber durch die Töchter des Cocalus wohl durch heißes Wasser getötet.

Die Sage geht, dass Dädalus in Ägypten starb, dass die Ägypter ihn auf einer Insel im Nil begruben und ihn als Gott verehrten.

Dädalus soll auch verschiedene Erfindungen gemacht haben, so die Säge, die Axt, den Gradmesser, den Bohrer und Masten und Figurenköpfe von Schiffen und Töpferscheiben. Die Erfindung der Säge wird aber auch seinem Neffen Talos zugesprochen, den Dädalus ermordet hat. Dädalus soll als Bildhauer Statuen gebaut haben, die echt aussahen, weil er das Gesicht detailliert ausmodelliert hatte und die Gliedmaßen der Figur beweglich gestaltet hatte.[31]

So gilt also die mythische Figur des Dädalus aus für die Griechen des 7. Jahrhunderts grauer Vorzeit als Namensgeber des Beginns der damals neuen so genannten dädalischen Kunst aus der Mitte des 8. Jh. bis Ende des 7. Jh. v. Chr. im Übergang von der geometrischen zur archaischen Zeit. Und er galt als Erfinder einer archaischen Statuenplastik, die die frühere steife Haltung löste, die Arme abwinkelte, die Beine auseinander stellte und die Augen offen zeigte.[32] „Eine nicht genauer beschriebene steife Haltung galt allg. als Merkmal der vordädalischen Kunst (vgl. Diod. 4,76,3; Sch. Plat. Men. 97d), die gern mit der altägypt. gleichgesetzt wurde. Pausanias, 7,5,5, bezeichnet ein Kultbild, an dem er jede äginetische und dädalische Art vermißt, als „geradezu ägyptisch.““[33]

„Dädalos, heißt es, hat zuerst die Beine der Bildsäulen zur Schrittstellung geöffnet und ihnen die Arme vom Körper gelöst. … [In Betreff der Jünglingsstatue aus Tenea] Das Grundschema ist das ägyptischer Bildwerke, der Geist, in dem die Figur geschaffen ist, ist in jeder Einzelheit griechisch.

Die schurzbekleideten ägyptischen Steinskulpturen sind durch einen Pfeilerblock tektonisch gebunden, leblos trotz der Wahrheit der Körpermodellierung, der stolz nackte griechische Jüngling steht aus eigener Kraft auf seinen Füßen, nicht festgewurzelt, sondern mit leichten Sohlen auftretend: die Fersen sind frei gerundet mit der Leichtigkeit des griechischen Idealismus, der sich um einer höheren Bedeutung willen mit kleinen Zügen unbekümmert über die Wirklichkeit hinwegsetzt.

Bei den ägyptischen Figuren sind die Arme steif gestreckt, hier ist wenigstens der Versuch gemacht, sie in den Gelenken hängend zu bilden, dort sind die Augen mit schmaler Lidspalte nur halb geöffnet, hier dem »lieben Licht der Sonne« in weiter Rundung aufgetan. Wieder soll erst Dädalos die bis dahin geschlossenen Augen der Statuen offen gebildet haben. Das mag Mißverständnis oder Übertreibung sein, die Nachricht beweist, daß die Griechen der späteren Zeit den Beginn wirklicher Kunst von dem Augenblick ab rechneten, wo ihren Künstlern der Wert des Auges, des am meisten ästhetisch empfindenden Organs, ins Bewußtsein trat.

Bei so vielen Unterschieden bleibt doch eine wichtige Übereinstimmung zwischen der Jünglingsfigur aus Tenea und den ägyptischen Werken bestehen, die strenge Gebundenheit in die reine Frontstellung und damit die vollkommene Symmetrie der rechten und linken Körperhälfte.“[34]

Der dädalische Stil findet sich überwiegend in Kreta, der Peloponnes und auf den Kykladen. Funde von 1200 dädalischen Terrakotten wurden 2019 auch im Aphroditeheiligtum in Milet gemacht.

Michael Siebler bemerkt:

„Daidalos, der schon in der ’Ilias’ Homers (18, 590-592)[35] erwähnt wird, gilt als Urvater aller bildenden Künstler, sagte man ihm doch nach, er habe seine Statuen geradezu durch geöffnete Augen und scheinbar bewegliche Gliedmaßen lebendig gestaltet. So ist es verständlich, dass die Wissenschaft den Stil der frühesten großplastischen Steinskulpturen, die in ihrem Aufbau ägyptische und orientalische Vorbilder hinter sich lassen, als ’dädalischen Stil’ bezeichnet. Wichtige Zeugen dieses Beginns im 7. Jahrhundert v. Chr. sind bekannt, sie wurden auf Kreta geschaffen, wo Daidalos ein neues Zuhause gefunden hatte. Die Formprinzipien des dädalischen Stils sind besonders in der Kleinkunst fassbar.“[36]

„Charakteristisch ist eine gewisse Vereinfachung und Systematisierung im Aufbau der Figuren, die sich vor allem in einer konsequenten Frontalisierung und Einbindung in ein orthogonales Achsensystem zeigt. Das Gesicht hat die Form eines Dreiecks und wird von einer breit in die Front gearbeiteten Frisur gerahmt. Erst im Lauf der Entwicklung werden die Gesichtsformen runder, gewinnen die Formen mehr Räumlichkeit.“[37]

Burgendaten schreibt: „Typisch dädalisch an der Darstellung der menschlichen Figur ist die geringe Tiefe, also Vermeidung von Dreidimensionalität (so dass ein flächiger, brettartiger Eindruck entsteht), der streng tektonische Aufbau der Figur (Oberkörper und Unterkörper sind oft durch einen Gürtel unterschieden), die dreieckige Gesichtsmontur und die trapezförmig rahmenden, horizontal unterteilten Haaren (die sog. Etagenperücke) sowie der flach abschliessende Oberkopf.“[38]

Und Neil Collins bemerkt dazu: „Die Hauptansicht ist frontal, so dass in Statuen die Seitenansicht unnatürlich zusammengedrückt werden kann und in Reliefs Vollgesichts-Köpfe üblich sind – in bemerkenswertem Gegensatz zur Regel in der zeitgenössischen Vasenmalerei und in der nachfolgenden Phase der archaischen Skulptur. Das Gesicht ist ein langes Dreieck mit einer niedrigen horizontalen Stirn, großen Augen und einer Nase und einem anfänglich geraden Mund. Auch der Schädel ist niedrig; die Ohren sind entweder weggelassen oder stehen im rechten Winkel vor; und das Haar (eher wie eine Perücke mit vollem Boden) fällt vorne und hinten in festen Massen aus, erleichtert durch horizontale Rillen und manchmal eine Reihe von Locken über der Stirn, oder ist seltener in dicke vertikale Locken unterteilt.

Der Körper ist in seiner Modellierung und im Detail noch oberflächlicher, mit sehr langen Beinen und einer hohen schmalen Taille, die normalerweise mit einem tiefen Gürtel verziert ist. Abgesehen von diesem Gürtel sind männliche Figuren nackt, aber Frauen tragen normalerweise ein schweres Kleid (die sogenannten Peplos).“[39]  „Die kretischen Bildhauer haben schon seit dem Beginn des 7. Jh.  als erste ihren lokalen Kalkstein für monumentale Bildwerke verwandt und die weiblichen Leitbilder der archaischen Epoche, die voll bekleidet stehende und thronende Frau, geschaffen. Seit dem mittleren  7. Jh stellen die naxischen Bildhauer der stehenden Frau das männliche Pendant, den nackten Kouros  gegenüber, dessen Realisierung nur durch die Verwendung des hervorragenden Marmors der Insel möglich war. Die übrigen griechischen Bildhauerschulen treten erst seit der  spätdädalischen  Epoche mit monumentalen Steinskulpturen hervor.“[40]

„Charakteristisch ist eine gewisse Vereinfachung und Systematisierung im Aufbau der Figuren, die sich vor allem in einer konsequenten Frontalisierung und Einbindung in ein orthogonales Achsensystem zeigt. Das Gesicht hat die Form eines Dreiecks und wird von einer breit in die Front gearbeiteten Frisur gerahmt. Erst im Lauf der Entwicklung werden die Gesichtsformen runder, gewinnen die Formen mehr Räumlichkeit.“[41]

Woher stammt diese Stilrichtung? Es ist eine eigene griechische Schöpfung.

„W.s (Winkelmanns) beeindruckend einfaches und damit sehr suggestives Entwicklungsschema von der Entstehung der griech. Skulptur aus dem anikonischen Kultmal über die Herme hin zur vollkommen menschengestaltigen Skulptur läßt sich kaum aufrecht erhalten; dagegen ist seine neue Grundaussage, daß sich die griech. Kunst nicht aus der ägypt. heraus entwickelt habe, sondern aus eigenen Wurzeln entsproß, weitgehend zutreffend. Denn schon vor der Öffnung Ägyptens im 7. Jh. v. Chr. wurden im Griechenland der geometrischen Epoche menschengestaltige Skulpturen (die man zu W.s Zeiten noch nicht kannte) geschaffen. Erhalten sind kleine Figuren aus Ton oder Bronze; daneben gab es auch größere aus Holz, die aufgrund ihres vergänglicheren Materials allerdings bis auf geringe Reste verloren sind. Diese Figuren (nicht die erst später nachweisbaren Hermen) kann man im Sinne W.s als Vorläufer der späteren menschengestaltigen griech. Skulptur bezeichnen. Andererseits läßt sich kaum abstreiten, daß die geometrischen Bildwerke erst nach dem Kontakt griech. Künstler mit ägypt. Kunstwerken zur archaischen monumentalen Steinskulptur weiterentwickelt wurden.“[42]

Es gibt aber Anlehnungen und Ausleihungen aus der ägyptischen und syrischen bzw. orientalischen Kunst.

„Während sich die dädalische Plastik an die statuarischen Typen Ägyptens und des vorderen Orients anlehnt, unterscheidet sie sich von Anfang an wesentlich von den massigen, schwer lastenden Menschenbildern der orientalischen Kunst, die keinen konstruktiv gliedernden Aufbau des Körpers erkennen lassen, durch die klare Tektonik des menschlichen Körpers, die in einer autochthonen Entwicklungstradition an die Gestaltgesetze des Menschen in der geometrischen Epoche anknüpft. Das zentrale Anliegen der griechischen Bildhauer ist die harmonische Lösung des Konflikts zwischen den tragenden Kräften und lastenden Elementen, die den strukturellen Aufbau des Körpers bestimmen. In der dädalischen Epoche wird das funktionale Zusammenspiel von stützenden Beinen und lastenden Rumpf, zwischen denen die tief einschneidende Gürtung eine gegliederte Zäsur setzt, bei Männern und Frauen noch gerüsthaft dargestellt. Während die Tektonik des Körperbaus bei den Frauen durch die langen, schweren Gewänder weitgehend verschleiert wird, ist die Weiterentwicklung der strukturellen Gliederung des Körpers bei den nackten Kouroi fortan das zentrale Thema der gesamten archaischen Plastik.“[43]

„Es scheint ein Stil zu sein, der „durch die Auseinandersetzung mit dem Orientalischen entstanden sei“, wie es G. Kaminski formuliert hat. Ebenso verweist der Archäologe und Journalist Michael Siebler zwar auf „ägyptische und orientalische Vorbilder“ im Aufbau dieser frühen Werke, betont aber gleichzeitig die Bedeutung der Insel Kreta als neuer Schaffensort des Künstlers Daidalos und vermutet somit diese große Insel im Mittelmeer als wichtigen Entstehungsort früharchaischer Kunst.“[44]

Wie kommt es zu dieser Nacktheit der griechischen Figuren im Gegensatz zu den ägyptischen Figuren?  Der klassische Archäologe Heinrich Bulle schreibt:

„Die griechische Nacktheit ist keine ursprüngliche, sie ist im Gegensatz zu älterem Brauche eingeführt und dann als Adelstitel gegenüber den Barbaren empfunden worden. Die Chronik der Sieger von Olympia berichtet, daß in der 15. Olympiade (720 v. C.) der Läufer Orsippos von Megara, um leichter zu laufen, den Lendenschurz fallenließ, daß seine Mitkämpfer sogleich dasselbe taten. und daß von da an die völlige Nacktheit bei den Wettkämpfen Vorschrift wurde. Daß in der Palästra bei den täglichen Uebungen die jungen Leute nackt waren, wurde so selbstverständlich, daß das Wort für Körperübung nichts anderes heißt, als „nackt sein“ γυμνάζειν. So ist die Gewöhnung an den Anblick des Nackten aus einem vernünftigen und praktischen Zwecke entstanden. Aber die Griechen haben auch einen höchsten ethischen Wert darin gefunden. Der klassische Zeuge ist Platon, dem niemand Neigung zu Frivolität wird vorwerfen wollen. Ins einem Idealstaat will er selbst für die Frauen jeden Alters die nackten Leibesübungen eingeführt wissen und betont im voraus den Spöttern gegenüber, daß, wenn jemandem dabei etwas lächerlich erscheinen sollte, ein Vernünftiges in Wahrheit niemals lächerlich sein könne. Ausführlich schildert das Ethos der Nacktheit, wie es die Griechen gegenüber den Barbaren empfanden, der sonst so spottreiche Lukian. Der Skythe Anacharsis besucht in dem nach ihm benannten Dialog mit seinem griechischen Gastfreund die Palästra und verwundert sich, wie Knaben und Männer sich den nackten Körper mit Oel und Sand  beschmieren, mit den Fäusten aufeinander losgehen, sich gegenseitig zu Boden werfen und alle möglichen närrischen und  zwecklosen Anstrengungen machen. Der Grieche erwidert: so wird in ihrem Leibe die Spreu vom Weizen gesondert: alles Ueberflüssige und Schwere wird  durch Schweiß und Anstrengung herausgetrieben, bis die Körper weder zu fett noch zu mager sind, sondern, „auf das richtige Maß umschrieben“[45]

6. Die Kouroi und Kourai und das Kourosschema

Den Begriff Kouros (Κοῦρος), Plural Kourοi (Κοῦροι) und  Korä (Kόρη), Plural Koren (Kόραι) für die Mädchendarstellungen benutzen Kunsthistoriker seit 1895 bzw. seit 1904. Ab etwa 650 v. Chr. stellten die Griechen echte menschliche Figuren her. Kouroi wurden aus Marmor,  Kalkstein, Holz, Bronze, Elfenbein und Terrakotta  angefertigt. Plastische Großplastiken aus Marmor gab es ab 650 v. Chr. Zu dieser Zeit gab es im griechischen Raum auch erste Hohlgusse für Kleinbronzen. Die Bronzehohlgusstechnik wurde im 7. Jh. v. Chr. aus Ägypten übernommen, diente aber zunächst nur für Herstellung von  Gerätfiguren  und wurde erst im Laufe des 6.Jh.  vereinzelt für  monumentale Statuen angewandt.[46]

Über die Funktion der Kouroi  bzw. wen sie darstellen, gibt es verschiedene Hypothesen. Lange galten die Kouroi in der Kunstwissenschaft als Darstellungen des Gottes Apoll. Sie waren aber wohl Figuren, die man den Gestorbenen mit ins Grab gab, sie galten als Votivgaben bzw. Opfergaben für die Götter, sie verherrlichten den sportlichen Wettkampf und waren auch Denkmale für Sieger der olympischen Spiele. Es gab in Marmor lebensgroße, aber auch bis zu drei Meter hohe Exemplare.  Wenn eine Inschrift vorhanden ist, wie bei den Zwillingen Kleobis und Biton im Museum von Delphi (die ich dort gesehen hab) ist klar, wen sie darstellen. Herodot[47] beschreibt in I,31 die Geschichte dieser Zwillinge. Sie hatten ihre Mutter, als sie am Herafest zum Tempel fahren wollte, aber kein Rind vorhanden war, um das Gespann zu ziehen, mit eigener Kraft bis zum Tempel gezogen. Die Mutter betete deshalb bei Hera darum, sie möge ihren Söhnen das gewähren, was für Menschen das Beste sei. Daraufhin schliefen die Jungen im Tempel ein und wachten nicht mehr auf. „Die Argiver aber ließen ihnen Bildsäulen fertigen und weihten sie nach Delphi, weil sie so treffliche Männer gewesen.“

Zwar abgeleitet von den ägyptischen Standfiguren, aber doch ganz eigentümlich entwickelten die Griechen dann ihre Kourosfiguren und das Kourosschema. Aber schon in der geometrischen Epoche im 8. Jahrhundert v. Chr. gibt es anatomisch einfach gebaute nackte männliche Bronzefiguren, die breite Schultern, eine dünne Taille und einen vorgestreckten Fuß aufweisen. Die Griechen kannten Kourosfiguren schon viel früher; es gab sie schon auf der Insel Kreta wohl vor der Eroberung Kretas durch die Mykener, wie die Figur des Kouros von Palaikastro beweist.

Die Kouroi besitzen charakteristische Merkmale: dazu gehört, dass diese Figuren nach einer strengen Frontalität und Symmetrie gebildet sind. Die Figuren schauen den Betrachter an. Sie scheinen zu schreiten, oft ist das linke Bein nach vorne gestellt. Die Kouroi waren nackt, unbekleidet. Die Kourai aber waren mit einem langen Gewand, dem Peplos bekleidet. Die Füße der Koren standen zusammen und ein oder beide Arme kreuzten sich vor dem Körper. Die Kouroi waren breitschultrig und hatten eine schmale, gut sichtbare Taille. An den zu beiden Seiten herabhängenden Armen waren die Hände zu Fäusten geballt. Bei den Beinen kann man gut an den Waden erkennen, welches Bein die lastende und welches Bein das tragende Element verkörperte. Kouros- und Korä-Statuen waren bemalt.

Man spricht dabei von dem  Schema des Dipylonmeisters. Von ihm stammen Funde, die am  Dipylon, dem Heiligen Doppelhaupttor Athens auf dem alten Kerameikos-Töpferviertel bei  Grabungen auf dem Friedhof gefunden wurden. Der Dipylonmeister ist ansonsten unbekannt. Er  wird einfach nach dem Dipylon Dipylonmeister genannt. Die Bildung der Kouroi mit ihrer  Frontalität und Symmetrie sind bei den Figuren, die dem Dipylonmeister zugesprochen werden, so charakteristisch dass sie bzw. deren Achsenschema bzw. Achsensystem als Achsensystem des  Dipylonmeisters bezeichnet wird. Man spricht auch vom Gesetz der strengen Form. Dieses Achsensystem galt bis zur Zeit der Perserkriege.[48] Dieser Gestaltungs-Ordnungs-Willen findet sich auch in der Architektur mit ihren drei Säulenordnungen dorisch, ionisch und korinthisch, deren Proportionen (z.B. Höhe und Breite) genau festgelegt waren.

„Das Problem der Entwicklung des Kouros-Typs hängt unweigerlich mit dem der Gesamtentwicklung der monumentalen archaischen griechischen Skulptur zusammen. Grundsätzlich gibt es zwei Denkrichtungen, wie diese daedalischen Formen, von denen einige nur aus der Literatur bekannt sind (Kolossos, Bretas, Andrias und Xoanon), um das 6. Jahrhundert zur freistehenden Skulptur wurden; nämlich, dass es eine Reaktion auf die innere Entwicklung der griechischen Typen und religiösen Bedürfnisse oder ein Produkt ausländischen Einflusses war. Als externe Ursache für Veränderungen wurden mögliche Einflussquellen wie Ägypten, Anatolien und Syrien angeführt, wobei der stärkste Fall für Ägypten gemacht wurde. Es ist bekannt, dass die Griechen vor der Gründung des griechischen Unternehmens Naukratis Mitte des 7. Jahrhunderts langjährige Handelsbeziehungen zu Ägypten unterhielten, wo die Griechen ägyptische Bildhauermethoden hätten erlernen können. Die Arbeit von Guralnick sowie die früheren Studien von Erik Iversen und Kim Levin haben das Argument für eine Nachahmung der ägyptischen Bildhauerei durch griechische Bildhauer erheblich erweitert. Das Proportionssystem im zweiten ägyptischen Kanon der Saitenzeit bestand aus einem Gitter aus einundzwanzig und einem Viertel Teilen mit einundzwanzig Quadraten von den Fußsohlen bis zu einer Linie, die durch die Mitte der Augen gezogen wurde. Das Gitter wurde auf die Oberfläche des zu schnitzenden Blocks aufgebracht, so dass die wichtigsten anatomischen Merkmale an festen Gitterpunkten lokalisiert werden konnten. Iversen hat gezeigt, dass der New Yorker Kouros diesem Verhältnis entspricht. Es war jedoch Guralnick, der diese Entdeckung entwickelte, indem er andere Kouroi mittels Cluster- und Z-Score- Profilanalyse mit dem ägyptischen Canon II und einer Kontrollgruppe aus statistisch durchschnittlichen mediterranen Männern verglich . Infolgedessen hat sie zwei Arten von Proportionen im Kouroi des 6. Jahrhunderts identifiziert, bei denen die Mehrheit der allgemeinen Entwicklungslinie vom fremden Modell hin zu einer idealisierten menschlichen Norm folgt.“[49]

Kouroi und Kourai wurden aus den verschiedensten Materialien angefertigt, aus Holz (Xoana), Blei, Elfenbein, Bronze und besonders aus Marmor und anderen Materialien. Erst mit Marmor aber war das Ausmeißeln großer Statuen möglich. Der Marmor dazu wurde auf den Inseln Naxos und Paros, dann auch auf dem Berg Hymettos in Attika gebrochen. Der Steinbruch von Apóllonas auf Naxos ist dafür  berühmt. „Der Steinbruch von Apollonas war vermutlich schon in der Mykenischen Zeit in Nutzung, und es wurde hier über viele Jahrhunderte lang Marmor abgebaut. Möglicherweise handelt es sich um den ältesten Marmorsteinbruch Griechenlands. Mineralogische Untersuchungen haben ergeben, dass aus dem Marmor dieses Steinbruchs zahlreiche Statuen hergestellt sind, nicht nur solche, die man auf Naxos gefunden hat, sondern auch auf Delos, der Athener Akropolis und sogar in Delphi.Sicher ist auch für die Tempel auf Naxos und auf Delos teilweise Material aus diesem Steinbruch verwendet worden. Insbesondere in der archaischen Epoche müssen hier große Mengen an Marmor abgebaut worden sein.“[50] Dass sich in archaischer Zeit auf Naxos Steinbrüche befanden, in denen Steine gebrochen wurden, aus denen Statuen von Kouroi gefertigt wurden, beweisen dort aufgefundene nicht vollendete Kouroi wie der 10,70 m hohe 80 Tonnen schwere Kouros von Apollonas, den man bei Apollonas aufgefunden hat und die zwei ebenfalls beschädigten Kouroi von Flerio und Potamia. Auf der Insel Paros ging der Steinbruch sogar bis in die frühe kykladische Epoche (3200 v. Chr. – 2000 v. Chr.) zurück. Der parische Marmor wird Lynchnitis genannt, weil sein Abbau aus Gängen mit Öllampen (Lynchnon) erfolgte. Es handelt sich um einen reinen, transparenten Marmor, der u.a. verwendet wurde für die Figur der Venus von Milo, für Korai der Akropolis, für die Nike von Delos, für die Tempel des Apollo in Delphi und des Apollo auf Delos.

„Die Kouros- und Kouraiplastiken des dädalischen Stils waren statuarisch gestaltet. Sie waren anfangs in einer starren Haltung gebildet, sie sahen aus wie Plastiken im ägyptischen Stil, sie zeichnete eine strenge Frontalität (die ein Merkmal der ganzen archaischen Figuren war) aus, hatten breite Schultern, schmale Taillen, hängende Arme, geballte Fäuste, sie standen fest auf dem Boden.“[51]

Diese Merkmale stammen wohl aus Ägypten. „Im 3. Jt. entwickelten ägyptische Künstler das Schema der stehenden männlichen Statue, die monolithisch mit einem stützenden Rückenpfeiler verbunden ist. Dabei sind die Arme gesenkt, die Beine durchgedrückt sowie der eine Fuß vor- und der andere zurückgesetzt.“[52]

Im Laufe der Weiterentwicklung wurden die Kourosdarstellungen lebendiger, beweglicher. Breasted gibt zu bedenken:

„Es kann trotz der weiten Verbreitung des „Frontalitätsgesetzes“ kein Zufall sein, daß der sogenannte archaische Apollo, den die ionischen Griechen zuerst geschaffen haben, in allen Einzelheiten, bis auf die charakteristische Vorstellung des linken Fußes, eben die Haltung zeigt, welche von den ägyptischen Künstlern mit Vorliebe gewählt wurde. Von den  saïtischen Porträtbildhauern mögen die Griechen viel gelernt haben, selbst weit hinab bis in die Zeit ihrer höchsten künstlerischen Vervollkommnung. Zeichen von geistigem Einflusse liegen weniger klar zutage, aber es ist sicher Wahrheit in der griechischen Überlieferung, nach der sie ihre Philosophie aus Ägypten erhalten hätten.“[53]

Das ägyptische Vorbild dieser statuarischen Bildnisse mit Frontalität ist nach Dietrich Raue die 2017 in Kairo aufgefundene Kolossfigur Psammetichs I. Wie gesagt, geht die Darstellung von Kouroi aber mindestens bis zum kretischen Kouros von Palaikastro, und damit auf die spätminoische Zeit zurück und zeigt den frühen Einfluss Ägyptens aus der Zeit von Sesostris auf. Die Figur des Kouros von Palaikastro ist wohl auch eine abgewandelte Form der Statuen zur Zeit der Pharaonen mit dem Namen Sesostris.  Auch er hat eine Schrittstellung. Die Arme sind aber nicht angelehnt, sondern im Schulterbereich nach außen abgewinkelt und in den Ellenbogen ebenfalls und zwar zum Brustbereich abgewinkelt. Der Oberkörper ist annähernd dreieckig gebildet, der Kopf ist klein. Sollte dieser Kouros von den Figuren von Sesostris abgeleitet sein, dann ist aber gleichzeitig eine eigene griechische Weiterentwicklung zu verzeichnen.

Nach den „Dunklen Jahrhunderten“ tauchen Kouros- und Korefiguren, vielleicht angeregt durch Psammetichs Kolossalstatue, erneut auf und damit der griechische Kunststil der Archaik. Anders als die Figur des Sesostris III. und von Psammetich sind die stehenden Kouroi aber völlig unbekleidet, nackend. Wie bei den ägyptischen Vorbildern hat der Kouros breite Schultern und eine betonte Taille. Auch wie schon bei Sesostris III. hängen die Hände herab und sind zu Fäusten geballt. Die Figuren sind bartlos im Gegensatz zu ihren ägyptischen Vorbildern. Ein Bein, wie beim dem Vorbild von Psammetich meist das linke, ist nach vorne gestellt. Anders als die Figuren der Ägypter lehnen sich die griechischen Kouroi aber an keinen stabilisierenden Hintergrund an, sondern stehen frei. „Die ältesten frei stehenden Monumentalstatuen stammen aus Delos. Die Kouroi aus Delos fallen in die Zeit der beginnenden engen Kontakte Griechenlands zu Ägypten.“[54] Kouroi sehen einen an. Es besteht eine strenge Frontalität und die Figur ist streng symmetrisch aufgebaut.

Dazu kommt als weiteres Merkmal das berühmte typische griechische „archaische Lächeln“ der archaischen Kouroi. Dieses Lächeln „bezeichnet das Lächeln, das charakteristisch auf den Gesichtern griechischer Statuen der archaischen Kunst (ca. 650–480 v. Chr.) erscheint, insbesondere ab dem 1. Viertel des 6. Jahrhunderts v. Chr. …Hervorgerufen wird der Ausdruck des Lächelns durch das Hochziehen der Mundwinkel. Um den Effekt zu steigern, können zudem Nasolabialfalten und Wangenknochen markant herausgestellt werden, was das mimische Spiel weiter belebt. Das archaische Lächeln zeigt sich bereits in der griechischen Reliefkunst des späteren 7. Jahrhunderts v. Chr., bleibt aber zunächst der attischen Kunst fremd. Mit den um 580 v. Chr. geschaffenen Statuen von Kleobis und Biton aus Delphi tritt es in der argivischen Plastik voll ausgeprägt auf. Ab 550 v. Chr. ist es weit verbreitet, um im 3. Viertel des 6. Jahrhunderts v. Chr. seine klassische Ausprägung zu erhalten. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. weicht es einer zunehmend ernsten Gesichtsauffassung. … Es ist nicht situationsbezogen, sondern Konvention.“[55] Kürzlich fand man auch bei Taposiris Magna Temple in Ägypten eine weibliche Mumie, die ganz mit einer Totenmaske bedeckt ist und die ein lächelndes Gesicht zeigt.[56] Die dort gefundenen Mumien stammen aus der Zeit der Ptolemäer oder von der Zeit, als die Römer Ägypten eroberten. Es ist bekannt, dass das saitische Lächeln auch in dieser Zeit bei Statuen vorkam.

Aber ist dieses Lächeln eine griechische Schöpfung, stammt es aus Ägypten oder haben die Ägypter es von Griechen ihrerseits übernommen? Im Ägyptischen Museum in Berlin befindet sich eine 24 cm hohe lächelnde Schieferkopfstatue des Pharaos Amasis. Mit Verweis auf diese Figur (und Foto von ihr) liest man im Bildlexikon „Ägypten. Hochkultur am Nil“:

„Von den Herrschern aus Sais sind uns nur wenige Gesichter erhalten geblieben, anhand derer wir jedoch die wesentlichen ästhetischen Merkmale dieser Dynastie erkennen können: eine glattpolierte Oberfläche; klare, weiche Formgebung und ein anmutiges „saitisches“ Lächeln als Zeichen der inneren Heiterkeit und Ruhe des Herrschers.“[57]

Herodot schreibt über Amasis:

„I. 73 In seinen Geschäften traf er folgende Einrichtung: Des Morgens früh, bis zu der Zeit, wo der Markt voll ist, besorgte er mit allem Eifer die vorkommenden Geschäfte, von da an aber zechte er und trieb seinen Scherz mit denen, die mit ihm zechten; er gab sich einem leichtfertigen, bloß dem Scherz zugewendeten Leben hin. Darüber bekümmerten sich seine Freunde und ermahnten ihn mit folgenden Worten: „O König, du benimmst dich nicht recht in deiner Stellung, indem du dich in ein so nichtiges Treiben stürzest; denn du sollst ehrwürdig auf einem ehrwürdigen Throne sitzen und den Tag hindurch die Geschäfte besorgen;  dann würden auch die Ägypter wissen, dass sie von einem großen Mann beherrscht werden, und du würdest in einem besseren Rufe stehen, während du jetzt durchaus nicht tust, was einem Könige ziemt.“ Er aber erwiderte ihnen mit folgendem: „Wer einen Bogen besitzt, der spannt ihn, wenn er ihn gebrauchen muss, und wenn er ihn gebraucht hat, spannt er ihn ab. Denn wenn der Bogen alle Zeit gespannt wäre, so würde er zerbersten, sodass man ihn da, wo man ihn nötig hätte, nicht gebrauchen könnte. Gerade so verhält es sich mit der Natur des Menschen. Wenn er stets mit ernsten Dingen beschäftigt sei und nicht bisweilen dem Scherze sich hingeben wollte, so würde er, ohne es zu merken, entweder ein Narr werden, oder vom Schlag getroffen werden: dies weiß ich, und darum weise ich einem jeden sein Teil zu.“ Dieses gab er den Freunden zur Antwort.

74 Es soll aber Amasis auch zu der Zeit, wo er noch ein Privatmann war, dem Trunke ergeben, Scherze geliebt und keineswegs ein Mann ernsten Strebens gewesen sein.“[58]

Das saitische Lächeln war eine Neuentwicklung, die parallel zu dem griechischen archaischen Lächeln stattfand oder vielleicht auch in Abhängigkeit voneinander. Hat vielleicht hier Amasis dafür Pate gestanden, der nach Herodots Schilderung einerseits die Geschäfte eines Herrschers erfüllte, andererseits auch eine scherzende, lachende Seite hatte?

Das „zu dieser Zeit so beliebte (saitische) Lächeln“[59] findet sich auch bei einem, allerdings undatierbaren Königskopf, der sich im Kairoer Ägyptischen Museum befindet. Der Autor schreibt, die Einordnung in  die 26. Dynastie bis in die Ptolemäerzeit sei wahrscheinlich. „Für die Saitenzeit sprechen die leicht nach oben gezogenen Mundwinkel, die ein Lächeln andeuten, sowie die Ausformung des Gesichtes.“[60] Im National Geographic Art Guide Ägyptisches Museum Kairo kann man weitere Beispiele für das saitische Lächeln finden.[61]

Schon der Ramses II.-Kopf vor dem Eingangspylon des Luxor-Tempels lächelt. „Dieses idealisierte Kunstgesicht zeigt zwar ein geheimnisvolles Lächeln, etwa vergleichbar mit dem geheimnisvollen Lächeln der Mona Lisa im Louvre-Museum in Paris, das jedoch unverbindlich und unecht wirkt, weil keinerlei Gefühls- und Gesichtsregungen wie etwa Lachfältchen zu erkennen sind. Übrigens sind Statuen von Amenophis III. und anderen Pharaonen ganz ähnlich angefertigt. Da alle Ramses-Figuren in Ägypten dasselbe identische Gesicht tragen, liegt die Vermutung nahe, dass alle Künstler die gleiche Vorlage gehabt haben müssen, an die sie sich zu halten hatten.“[62]

Auch zur Zeit von Amenophis IV./Echnaton gab es schon ein Lächeln von Figuren.  „Die strenge Sachlichkeit, die große unbeirrte Auffassung der älteren Meister weicht jetzt in den besten Werken einer plastischen Verfeinerung, die subtilere Reize der Form aufsucht. Die früher tektonisch erfaßten Köpfe spiegeln jetzt die innere Bewegung, wie vor demim mittleren Reich die geistige Struktur. Natürlich ist die momentane Erregtheit gemäß der plastischen Auffassung der Ägypter auch in dieser Zeit ausgeschaltet. Die Züge der Frauen, Tafeln 64,95, tragen dasselbe unirdische schwebende Lächeln, wie die griechischen Frauenstatuen der Akropolis und die Portalfiguren von Chartres. Nie wurden in Ägypten beseeltere Köpfe geschaffen als in der politisch und religiös bewegten, revolutionären Zeit des 15. und 14. vorchristlichen Jahrhunderts.“[63]

Ein archaisches Lächeln gibt es aber sogar schon zweihundert Jahre zuvor in Ephesus. Im Artemision von Ephesus fand man eine Kleinfigur eines Megabyzoi, eines Eunuchpriesters aus dem 8. Jahrhundert, wie ihn auch die Hethiter und der Kult der ephesischen Artemis kannten. „Der Mund […] ist hier zu einem vergnügten Lächeln gebogen. Zum ersten Mal strahlt das freudige, archaische Lächeln uns entgegen.“[64]

Ein weiteres Merkmal der archaischen Kouroi  ist die als typisch für die dädalischen Kunst so genannte „Etagenperücke“, auch dädalische Frisur genannt. Sie ist aber eigentlich keine Perücke, sondern eine Frisur aus dem Orient, genauer gesagt, sie stammt aus Syrien bzw. von den Phöniziern. Auch ägyptische Standbilder hatten ähnliche Perücken. Die Griechen der damaligen Zeit hatten nicht nur mit Ägypten, sondern auch mit Asien reichhaltige und vielfältige Beziehungen und ließen sich vom Orient beeinflussen. So stammt die Figur der Sphinx wohl von den Hethitern. Bei der Etagenperücke genannten Frisur fallen die Haare in schweren Perllocken oder in dichten, horizontalen Wellen tief auf Brust und Rücken herab. „Die wahren Merkmale des Stils sind in den Haaren, im Kopf und im Gesicht zu sehen. Das Haar hat die Form eines großen Dreiecks, das vor den Schultern entweder in einer Masse mit horizontalen Wellen oder Schichten (daher der häufig verwendete Begriff Etagenperücke oder „geschichtete Perücke“) oder in schweren Locken, die in gleichmäßigen Abständen gekräuselt werden, vor die Schultern fällt ( die Perlenlocken oder „Perlenketten“). Innerhalb dieses großen dreieckigen Kopfschmuckes ist das Gesicht ein kleineres umgekehrtes Dreieck. Der untere Teil des Gesichts kann die Form eines V haben oder auf die eines U gerundet sein. Das Gesicht ist flach und manchmal so tief im Haar vergraben, dass die Ohren bedeckt sind. Die Oberseite des Kopfes ist abgeflacht, um die Dreiecksform beizubehalten, was einen „hirnlosen Look“ (Andrew Stewart) ergibt und eine niedrige Stirn mit einem geraden Haaransatz erzeugt. Die Augen sind normalerweise groß und ziemlich hoch gesetzt.“[65]

„Die früheste uns bekannte Frisur ist, abgesehen von minoischen und mykenischen Vorläufern, die Etagenperücke, deren Gestaltung nach 750 v. Chr. einsetzte. Der Name dieser Frisur stammt von der Drapierung der Haare. Ihr Ursprung kann in Kreta festgemacht werden, von wo sie sich über ganz Griechenland ausbreitete und schließlich bis zum Übergang ins 6. Jh. v. Chr. für Männer und Frauen vorherrschte.“[66] Diese Frisur findet man im 7. Jahrhundert bei vielen  griechischen Statuetten, such bei Sphinxdarstellungen. „Im Gegensatz zu den syrischen Vorbildern, bei denen das Haar vertikal gegliedert ist, zeigt die frühgriechische Haartracht am Haaransatz gewöhnlich kurze, perl- oder spiralförmige Locken, manchmal auch nur kleine Kreise. Diese Art der Frisur mit herabfallendem, halblangem und horizontal gewelltem Haar weist im 7. Jahrhundert eine Vielzahl der griechischen Statuetten auf.“[67]

Man findet die Etagenperücke auch auf etruskischen Dreifüßen z.B. aus dem Barberinigrab und dem Bernardinigrab abgebildet. Sie sind „nach phönikischen Vorbildern gearbeitet. Das zeigt vor allem die Etagenperücke, die in Phönikien schon im IX. Jahrhundert vorkommt, während sie sich in Griechenland erst im VIII., ganz besonders aber im VII. findet.“[68] Die Griechen haben diese Frisur also von den Phöniziern entlehnt. Schon in der mykenischen Kunst gab es „Haartrachten, die flüchtig gesehen an die Etagenperücke erinnern.“[69] Ein Löwenkämpfer auf einer phönikischen Schale (Abb.5) trägt „eine kurze, abstehende, durch schmale Binden geschnürte und gegliederte Perücke, geradezu das Vorbild für die ältesten griechischen Etagenperücken.“[70]„Die  Etagenperücke  kommt,  so weit wir wissen, nicht im eigentlichen ionischen Gebiet vor.“[71]

So hat die daedalische Kunst und das Kourosschema verschiedene, asiatische und ägyptische Wurzeln. Sie ist aber doch eine Eigenleistung der Griechen, indem sie das Vorgegebene ganz in ihrem Sinn und Verständnis umbauten und weitertentwickelten.

Vom Schrittbein zum Spielbein

Die Griechen der Dädaluszeit übernahmen für ihre Statuen die schon mehrfach genannte Standstellung  eines Beines nach vorn von den Ägyptern. Dabei blieben sie aber nicht. Sie verwandelten diese eigentlich noch sehr starre Stellung der Beine, indem sie den physiologischen Ablauf des Gehens und die dazu gehörige Anatomie nachvollzogen. Das ist ein Wechsel vom Standbein und Spielbein. Ein Bein, das Standbein bleibt getreckt am Boden. Das andere Bein, vorher noch stehend, knickt im Kniegelenk ein, verlässt den Boden und bewegt sich nach vorne. Es wird zum Spielbein. Regelmäßig wechseln das rechte und das linker Bein in ihre Funktion. Der Kouros schreitet. Man nennt das Kontrapost  (Gegensatz), der sich an der gleichen Skulptur zeigt. Eine Figur mit Kontrapost ist nicht einfach statisch, sondern zeigt ein Zusammenspiel von Ruhe und Bewegung, Spannung und Anspannung, Hebung und Senkung.

Dieser so genannte klassische Kontrapost soll vom griechischen Bildhauer Polyklet (Πολύκλειτος) stammen. Polykleitos bedeutet der Vielberühmte. Er wurde um 480 v. Chr. geboren und starb  gegen Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr.) „Seine Hauptschaffenszeit umfasst die Jahre von etwa 460 v. Chr. bis 420 v. Chr.“ „Er verfasste eine theoretische Schrift, in der späteren Literatur Kanon genannt, in der er die idealen Maßverhältnisse des menschlichen Körpers beschrieb. Bereits die Antike sah in der von ihm geschaffenen Statue eines Speerträgers, des  Doryphoros, die praktische Umsetzung seiner theoretischen Forderungen und übertrug den Namen seiner Schrift auf die Statue als Verkörperung des Kanon.“[72] So wurden die anfänglich wie die ägyptischen noch starren Statuen durch den flexiblen griechischen Geist zu wirklich beweglichen schreitenden Figuren.

Heinrich Bulle (1867-1945) schreibt in seinem zuerst 1898 erschienenen, in zweiter Auflage 1912 umgearbeiteten Werk Der schöne Mensch im Altertum (3. unveränderte Auflage 1922):

Der stehende Mann

Nirgends läßt sich das Phänomen einer innerlich notwendigen künstlerischen Entwicklung deutlicherer kennen als am Problem des nackten stehenden Mannes. Es war die häufigste  Aufgabe, die gestellt wurde. Oder auch umgekehrt: die Kunst bot für eine ganze Menge von Bedürfnissen immer wieder diese eine  Lösung an. Das ist besonders in der archaischen Zeit der Fall, wo man Götter- und Heroenbild, Siegerstatue, Weihgeschenk, Grabmal mit Vorliebe in diese Form brachte. Aber auch jede andere der großen Epochen, in die wir den lebendigen Fluß der Entwicklung zu zerlegen gezwungen sind, trägt das ihre zur Förderung dieses Problems bei. Die Geschichte dieser einen künstlerischen Idee gibt daher zugleich den geschichtlichen Rahmen für alle übrigen Motive.

Die archaische Zeit, vom Ende des siebenten Jahrh. bis um 480 v.C, ist wie eine Schul- und Lernzeit.  Ihre Formensprache, die wir zunächst als altertümlich, steif, hölzern empfinden, ist die Zurückführung der Naturformen auf einen vereinfachten, oft noch unverstandenen, tektonisch gebundenen Ausdruck. Jede primitive Kunst nimmt solche Vereinfachungen vor. Was aber der griechischen die Enwicklungsmöglichkeit gibt, sind zwei grundlegende Eigenschaften: das von Anbeginn richtige Erfassen der Proportionen und der Sinn für das Wesentliche im Mechanismus des menschlichen Körpers. Um seine unaufhörlich sich verschiebenden Formen zu erfassen, wird ein Rahmen geschaffen, der gleich zu Beginn richtig getroffen, allmählich mit reicherer und richtigerer Form erfüllt wird. Der Körper wird in eine Ruhestellung gebracht, in der alle Glieder gleichmäßig gespannt sind, also in die mittlere Lage zwischen völliger Entspannung und zweckerfüllter Anspannung der Muskeln (T.37). Das eine Bein, fast durchweg das linke, wird einen kleinen Schritt vorwärts gesetzt, so zwar, daß sich beide Knie durchdrücken und die Last des Körpers gleichmäßig tragen. Der Rumpf steht in Vorderansicht, der Kopf gradeaus, die Arme gesenkt zu beiden Seiten, auch sie in einem mittleren Maße von Anspannung. Die Haltung ähnelt der der ägyptischen Gestalten und man pflegt anzunehmen, daß die Griechen sie übernommen hätten. Wandernde griechische Künstler mögen wohl ägyptische Statuen gesehen haben und ägyptische Fayencefigürchen u. dgl. sind nach Griechenland gebracht worden. Aber das Schema ist so einfach, ergibt sich gewissermaßen so von selbst, daß es eben so gut von den Griechen neu gefunden sein könnte. Ein andauernder Einfluß der ägyptischen Kunst auf die griechische ist nicht nachweisbar, denn sowohl im eigentlichen Standmotiv wie in der Durchführung des einzelnen sind die Griechen von Anfang an selbständig. Die ägyptischen Gestalten schreiten mit weit auseinandergesetzten Beinen, die griechischen stehen in „versammelter Stellung“, um einen militärischen Ausdruck zu gebrauchen. Im Anatomischen hat der Grieche von vorneherein das Gefühl für den Zweckinhalt der Form, für Knöchel, Gelenke und alle bewegungswichtigen Elemente, während der Ägypter sich mit der Erscheinung der Außenseite begnügt. Selbst wenn also das ägyptische Schema den Griechen den Anstoß gegeben haben sollte, so ist diese Anregung sofort völlig verarbeitet worden, ähnlich wie sie die Lautzeichen des Alphabets zwar den phönikischen nachgeahmt, aber sie sogleich mit eigenem Leben erfüllt haben.Was jedoch den Griechen vor allem von dem Ägypter unterscheidet, ist das sofortige Hinausdrängen über die erste Lösung. Schritt vor Schritt wird der erste Wurf verbessert, der Zusammenhang klarer gefühlt, die Einzelform reiner und richtiger umschrieben. Wir besitzen die Reste von anderthalbhundert gleichartigen archaischen Standfiguren, sie müssen einst nach tausenden gezählt haben, nicht zu gedenken der unzähligen kleinen Bronzefiguren von gleichem Typus. So ward bis gegen Anfang des 5. Jahrh. die erste Aufgabe gelöst: das alte Schema zu einer Gestalt von Fleisch und Blut, von Lebendigkeit und Naturtreue zu wandeln. Die nächste war, den Körper aus der Starrheit der archaischen Haltung zu befreien.

Eine Uebergangszeit, der sogenannte strenge Stil, begrenzt etwa durch die Jahre 480 bis 460 v. C., bringt diese Erlösung, und zwar durch einen jener glücklichen Funde, die, wenn sie dem Rückschauenden lange vorbereitet und fast selbstverständlich erscheinen, für die Mitlebenden doch eine Offenbarung, einen genialen Ruck nach vorwärts bedeutet. Die Stellung auf beiden gleichbelasteten Füßen ist eine gezwungene, niemand stellt sich von selbst so, es ist eine Schul- oder Rekrutenhaltung. Beim natürlichen Dastehen legt man sich mehr auf das eine oder das andere Bein, wobei sich eine Fußsohle vom Boden lockert. Mit dieser Beobachtung war der Gegensatz von „Standbein“ und „Spielbein“ gefunden, der von nun an die Entwicklung beherrscht. Zunächst tritt er noch zaghaft auf. Die Künstler des strengen Stils (T. 39 bis 43) arbeiten zwar die Beine sorgfältig durch und beobachten die durch die Entlastung entstehende tiefere Stellung des Knies, die leichte Senkung der Hüfte, die Verschiebung der Glutäen, aber sie wagen noch nicht die Folgerungen für den Rumpf und die Schultern zu ziehen, sondern lassen sie in den alten herben rechteckigen Umrissen.

Mit einem letzten Schritt zur Befreiung leitet sich die Blütezeit des fünften Jahrhunderts v. C. ein (460—400 v. C). Auch der Rumpf wird jetzt ergriffen von der Bewegung, die am entlasteten Fuß ihren Ausgang nimmt und in der Verschiebung der linken gegen die rechte Körperhälfte sich wie eine Welle fortpflanzt bis an die  Schultern, um auszuklingen in einer Wendung, Biegung oder Neigung des Hauptes. Ruhig und doch bewegt stehen nun die Gestalten da (T. 44 fg.), freie Geschöpfe einer Kunst, die eins geworden ist mit der Natur, freie Menschen, die mit gesammelter Kraft in sich selber ruhen. Das Spiel der Arme trägt dazu bei, diese „Bewegung in der Ruhe“ zu verstärken. Göttern werden ihre Abzeichen gegeben, Jünglinge handhaben palästrisches Geräte oder sie schmücken sich mit einem Symbol des Sieges, Motive, die sachlich nicht bedeutend sind und nicht sein wollen. Denn nicht in dem was geschieht, liegt der Sinn, sondern in dem was ist: in der Stellung des blühenden Leibes, im Rhythmus der Glieder, in der Schönheit. Hierzu erst dürfen wir das Wort aussprechen.  …

Das vierte Jahrhundert bedeutet die zweite Höhe. Dieses Zeitalter ist weicher und sanfter gesinnt als das kriegerische fünfte Jahrhundert. Man kann es fast das Jahrhundert der Frau nennen. Lyrische Stimmung, Grazie und Anmut beherrschen die Kunst und selbst die kräftigen Jünglingsgestalten haben weichere Körper, schwellendere Glieder, lässigere Haltung. Das ist wieder ein zugleich seelisches und künstlerisches Moment. Wenn man im 5. Jahrh. vor allem den knochigen Bau, den straffen Muskel, die prall gespannte fettlose Haut des athletischen Körpers beobachtete und das alles mit festumrissenen Formen wiedergab, so sieht man jetzt die sanfteren Rundungen eines wohlgenährten Leibes, die feinen Uebergänge, mit denen eine fettreiche Haut zwischen den Muskelgruppen vermittelt, den ganzen Reiz eines „blühenden“ Fleisches. Aber man entdeckt auch, daß die Umrisse des Körpers noch zartere Linien, noch wohllautendere Rhythmen hergeben, wenn er sich biegt und dehnt, und so greift man — wieder mit einer jener genialen Selbstverständlichkeiten — zu einer Bereicherung des alten Rahmens der Standfigur: man lehnt den Körper an eine äußere Stütze. Dabei bleibt die einfache Frontstellung der Gestalt gewahrt. Aber die Gesamterscheinung ist weicher, süßer, schmelzender geworden.

Doch noch das 4. Jahrh. erlebt ein Gegenspiel in der Stimmung und zugleich eine grundstürzende künstlerische Neuerung. Hier müssen wir einen Namen nennen, Lysippos von Sikyon, den „Hofbildhauer“ Alexanders des Großen. Es ist einer der größten Glücksfälle, daß wir seinen Schaber in einer guten Kopie besitzen (T. 62). Denn diese Statue ist der Wendepunkt zu einem neuen plastischen Ideal. Sie will nicht mehr allein von vorne betrachtet, nicht als ,,Relief“ gesehen werden wie alle älteren Standfiguren, sondern ihre Linien und Formen locken nach  rechts und nach links, und man fühlt, daß eine allerletzte künstlerische Fessel gefallen ist. Und dieser Jüngling selbst, obwohl er so ruhig dazustehen scheint, ist von einer geheimen inneren Beweglichkeit erfüllt. Wir meinen, er müsse sich nun gleich um seine Axe drehen. So ist im Laufe  der Entwicklung immer klarer die Aufgabe begriffen und erfüllt worden: in das ruhige Standbild den höchsten Ausdruck von Bewegungsfähigkeit zu legen.

Die hellenistische Epoche, die Zeit der Nachfolger Alexanders des Großen (etwa 300—50 v. C.), tut den letzten Schritt, indem sie nicht nur die Möglichkeit, sondern die Bewegung selber darstellt. Der Körper des Satyrs, der ruhig aufrecht stehend sich um seine eigene Axe schraubt, so daß die Brust gegen die Füße um einen rechten Winkel verschoben ist (T.79), bedeutet den Schlußpunkt der Entwicklung und die letzte Möglichkeit innerhalb der Idee der ruhigen Standfigur. Fünf Jahrhunderte haben an dieser Idee gearbeitet, zahllose geglückte Lösungen sind in jeder Epoche gefunden worden und haben friedlich neben den anderen weitergelebt. Aber immer wieder wird der Faden weitergesponnen, bis endlich das letzte aus dem künstlerischen Grundgedanken herausgeholt ist. —

Wie ein großer vorbedachter Lehrgang ist dieser Weg vom Apoll von Tenea bis zum Satyr Borghese. Für die Schaffenden war es ein Weg von vereinfachter und gebundener Formenwelt zu einer immer naturtreuer, immer lebendiger, immer mannigfaltiger werdenden. Für die Betrachter aber ist es die Offenbarung dessen, was der menschliche Körper denn eigentlich ist. Niemand zuvor hatte ihn so geschaut, wie ihn von nun an alle Welt sah. Das ist die weltgeschichtliche Tat der griechischen Kunst.[73]

7. Kulturgeschichtliche Hintergründe

Wie kam es dazu? Die Griechen waren ein sehr neugieriges, flexibles, generöses und kreatives Volk. Schon in dem 24. Gesang, dem letzten Kapitel von Homers Ilias [74] zeigen sich diese griechischen Charaktereigenschaften.

Der liebste Freund des Helden Achill, Patroklos,  fällt im Krieg. Achill selbst hatte den Troianischen Helden Hektor besiegt und erschlagen. Voll Trauer über den Tod des Patroklos zieht Achill den toten Hektor dreimal um das Grab seines Freundes Patroklos und schändet so die Leiche Hektors. Der Gott Apoll schützt den toten Hektor aber vor Entstellungen. Die Götter streiten sich  über die Tat und was nun geschehen soll. Zeus lässt die Mutter des Achill, die Meeresgöttin Thetis auf den Olymp rufen und bittet sie, zu ihrem Sohn Achill zu gehen und ihm zu sagen, dass die Götter und vor allen anderen Zeus selbst dem Achill zürne, „dieweil er in tobendem Unsinn Hektor ungelöst bei den prangenden Schiffen zurückhält; Ob er vielleicht mich scheut und Hektors Lösung empfänget.“ Zeus wollte gleichzeitig die Göttin Iris zu Priamos senden, „Dass er löse den Sohn, zu den Schiffen der Danaer wandelnd, Und mit gefälligen Gaben Achilleus´ Seele versöhne.“ Thetis besuchte daraufhin ihren Sohn Achill im Lager der Griechen und sprach zu Achill: „Auf, und vernimm, was ich red; ich bringe dir Worte Konions; Zorn die hegen die Götter gesamt, doch vor allem er selbst Ist im Herzen entbrannt, dieweil du in tobendem Unsinn Hektor ungelöst bei den prangenden Schiffen zurückhältst. Aber wohlan, entlass ihn, und nimm die Lösung des Leichnams.“

Achill verspricht, das der, welcher ihm die Lösung – das „Lösegeld – bringt, Hektors Leichnam bekommt. „Wenn ja mit ernstem Beschluss der Olympier selbst es gebietet.“

Die Göttin Iris begibt sich inzwischen zu Priamos, er solle zu Achill gehen und ihn, nur in Begleitung eines Herolds,  um die Lösung Hektors bitten. Priamos betet zu Zeus: „Vater Zeus, ruhmwürdig und hehr, du Herrscher von Ida, Lass mich vor Peleus´ Sohn doch Mitleid finden und Gnade.“ Zeus sah „den Greis mit Erbarmung“ und sandte dem Priamos außer einem Adler den „Argoswürger“, also den Götterboten Hermes, der ihn ins Zelt von Achill geleiten sollte. Reich beladen mit Lösegeschenken geht Priamos dann den gefährlichen Weg ins Lager der Griechen. Priamos hat am meisten Angst, dass Hektor von Hunden  gefressen worden sein könnte worauf Hermes ihm beruhigend antwortet, er sei weder ein Fraß der Vögel noch der Hunde. Auch Gewürm habe ihm nicht geschadet. Achilles schleift ihn zwar um das Grab des Patroklos, schände ihn aber ansonsten nicht. „Also walten des edelen Sohns die seligen Götter Dir im Tode sogar, denn geliebt war er jenen von Herzen.“ Und Hermes gibt ihm den Rat: „Geh nun hinein, und die Kniee des Peleionen umfassend, Flehe bei seinem Vater ihn an und der lockigen Mutter Und dem geliebtesten Sohne, damit du das Herz ihm erregtest.“

Priamos kommt zu Achill und trifft ihn gerade an, als er gerade gegessen hatte. „Ein nun ging unbemerkt Held Priamos, und ihm genahet Stand er, umschlang dem Peleiden die Knie und küsst´ ihm die Hände, Ach, die entsetzlichen Würger, die viel´ der Söhn´ ihm gemordet! Wie wenn ein Mann, belastet mit Blutschuld, der in der Heimat Einen Bürger erschlug, zum anderen Volke sich rettet, In des Begüterten Haus, und erstaunt ihn jeder betrachtet: Also staunt´ Achilleus. den göttlichen Priamos schauend. Auch die übrigen staunten und sahn einander ins Antlitz. Also flehend begann der erhabene Priamos also:   Deines Vaters gedenk, o göttergleicher Achilleus, Sein, der bejahrt ist wie ich, an der traurigen Schwelle des Alters! Und vielleicht, das jenen auch rings innewohnende Völker Drängen, und niemand ist, vor Jammer und Weh ihn zu schirmen. Aber doch, wann jener von dir, dem Lebenden, höret, Freut er sich innig im Geist und hofft von Tage zu Tage, Wiederzusehn den trautesten Sohn, heimkehrend von Troia. Ich unglücklicher Mann! Die tapfersten Söhn´erzeugt ich Weit in Troia umher, und nun ist keiner mir übrig! Fünfzig hatt ich der Söhn´, als Argos´Menge daherzog: Ihrer neunzehn wurden von Einer Mutter geboren, Und die andern zeugt ich mit Nebenfraun im Palaste. Vielen davon zwar löste der stürmende Ares die Glieder; Doch der mein einziger war, der die Stadt und uns beschirmte, Diesen erschlugst du jüngst, da er kämpfte den Kampf für die Heimat, Hektor! Für ihn nun komm ich herab zu den Schiffen Achaias, Ihn zu erkaufen von dir, und bring unendliche Lösung. Scheue die Götter demnach, o Peleid´, und erbarme dich meiner, Denkend des eigenen Vaters! Ich bin noch werter des Mitleids! Duld ich doch, was keiner der sterblichen Erdbewohner: Ach, zu küssen die Hand, die meine Kinder getötet!   Sprachs, und erregt´ in jenem des Grams Sehnsucht nach dem Vater; Sanft bei der Hand anfassend, zurück ihn drängt´ er den Alten. Beide nun eingedenk: der Greis der tapferen Hektors, Weinete laut, vor den Füssen des Peleiden sich windend; Aber Achilles weinte den Vater jetzo, und wieder Seinen Freund; es erscholl von Jammertönen die Wohnung. Aber, nachdem sich gesättigt des Grams der edle Achilleus, Und aus der Brust ihm entfloh der Wehmut süsses Verlangen, Sprang er vom Sessel empor, bei der Hand den Alten erhebend, Voll Mitleids mit dem grauenden Haupt und dem grauenden Barte Und er begann zu jenem und sprach die geflügelten Worte: Armer, fürwahr, viel hast du des Wehs im Herzen erduldet! Welch ein Mut, so allein zu der Danaer Schiffen zu wandeln. Jenem Mann vor die Augen, der dir so viel und so tapfer Söhn´ erschlug! Du trägst ja ein eisernes Herz in dem Busen! Aber wohlan, nun setzt auf den Sessel dich; lass uns den Kummer Jetzt in der Seel ein wenig beruhigen, herzlich betrübt zwar.Denn wir schaffen ja nichts mit unserer starrenden Schwernut, Also bestimmen die Götter der elenden Sterblichen Schicksal, Bang in Gram zu leben; allein sie selber sind sorglos. …“

Achill erwähnt noch einmal seinen Vater  Peleus:

„Einen Sohn nur zeugt´ er, der früh hinwelkt und sogar nicht Pflegen des Alternden kann; denn weit entfernt von der Heimat Sitz ich in Troia hier, dich selbst und die Deinen betrübend. …“

„Ihm antwortete Priamos darauf, der göttliche Herrscher: Setze mich nicht auf den Sessel, o Liebling Zeus´, da noch Hektor Liegt in deinem Gezelt, unbeerdigt! Eilig erlass ihn, Dass ich mit Augen ihn seh; und du empfahe die Lösung, Reichliche, die wir gebracht. …“

Achilleus beruhigt ihn:

„Nicht mehr mich gereizt, o Greis! Ich gedenke ja selber, Hektor dir zu erlassen; denn Zeus entsandte mir Botschaft. … Drum lass ab, noch mehr mein bekümmertes Herz zu erregen; Denn sonst möchte ich, o Greis, auch dein nicht schonen im Zelte, Wie demütig du flehst, und Zeus´ Gebote verletzten.  Jener sprachs; bang hört´ es der Greis und gehorchte der Rede.“

Achill holte daraufhin den Herold und die Lösegeschenke herein, ließ den Herold Platz nehmen. Er ließ Hektors Leichnam waschen und salben und ihn einkleiden, ohne dass Priamos dabei zusehen musste. Dann hub Achill den toten Hektor selbst auf ein hingebreitetes Lager und bat den toten Patroklos, ihm nicht zu zürnen, dass er Hektors Leiche zurückgab. „Denn nicht unwürdige Lösung mir bracht er.“ Achill meldete darauf dem Priamos: „Siehe, dein Sohn ist jetzo gelöst, wie du wünschest, Und er liegt auf Gewand. Sobald der Morgen sich tötet, Schaust du und führst ihn hinweg; nun lass uns gedenken des Mahles.“ Mit diesen Worten lud Achill den Priamos zum gemeinsamen Mahl ein. Anschließend ließ Achill auf Wunsch des Priamos diesem und dem Herold ein Nachtlager bereiten, aber außerhalb, damit andere Griechen sie nicht sähen und dadurch die Heimfahrt des toten Hektors sich verzögern könne. Von sich aus fragte dann Achill den Priamos, wie viel Tage er benötige, bis die Totenfeier für Hektor abgeschlossen sei. Priamos erwidert, er brauche zur Trauer und Feuerbestattung elf Tage, müsse auch noch von fernab vom Gebirge Holz holen lassen. „Aber den zwölften Tag, dann kämpfen wir, wenn es denn sein muss.“ Achill antwortet darauf: „Greis, auch dieses gescheh, o Priamos, wie du gebietest;  Hemmen werde´ ich so lange die Kriegsmacht, als du begehret. Also sprach der Peleid´ und fasst´ am Knöchel des Greises Rechte Hand, damit er des Herzens Furcht ihm entnähme.“ Während Achill schläft, weckt der Götterbote Hermes Priamos und den Herold und führte sie aus dem Lager der Griechen. Bei der Ankunft des toten Hektors in Troia trauern alle, besonders Kassandra, Helena, Hektors Mutter Hekabe und „vor allen“ Hektors Frau Andromache. Sänger für den Trauergesang wurden bestellt. Priamos aber vertraut auf die Zusage des Achill zu Waffenruhe: „Bringt nun Holz, ihr Troer, vom Walde zur Stadt, und besorgt nicht Laurenden Hinterhalt der Danaer; denn mir verhiess ja Peleus´ Sohn, mich entsendend von Argos´ dunkelen Schiffen, Nichts uns Schaden zu tun, bis genaht der zwölfte der Morgen.“ So konnten die Troier Hektor in Ruhe Feuer bestatten und beerdigen und danach den dazu gehörenden Festschmaus feiern.

So endet die Ilias.

Eine meiner besten Freundinnen, die griechische Diplompsychologin und Psychoanalytikerin Fotini Tilkeridou-Wolf wies mich auf den griechischen Professor für klassische Philologie D.N. Maronitis (1929-2016), der Homers Odyssee und Ilias ins Neugriechische übersetzt hat,  und auf dessen Interpretation  dieses abschließenden Gesanges der Ilias hin. Es geht hier um Umgang mit dem Fremden, um Menschlichkeit auch dem Gegner und Feind im Krieg, dem  πολέμιος polemios gegenüber. Im Kampf wird dieser mit aller Härte bis zum Tod bekämpft. Sowohl Patroklos als auch Hektor fallen, werden von jeweiligen Gegner hingeschlachtet. Achill ist über den  Tod des heißgeliebten Patroklos hochbetrübt. Er schleift deshalb den von ihm getöteten Hektor um das Grab seines Freundes. Die Sitte gebietet, dass Tote in Ehren beerdigt werden. Achill müsste die Leiche Hektors an die Troier ausliefern, damit das geschieht. Denn auch die Troier haben das Recht dazu. Die Weigerung von Achill, das zu tun, erzürnt Zeus. Die diplomatische Aktion von Thetis soll das erreichen. Achill soll dazu gebracht werden, dass er die Leiche Hektors für die Bestattung freigibt. Er weiß nicht, dass der alte Vater Hektors, Priamos ihn dazu persönlich aufsuchen wird. Priamos befolgt den Rat von Hermes, die Knie von Achill zu umfassen und ihm bei Nennung seines Vaters anzuflehen, „damit du das Herz ihm erregst.“ Allerdings fehlt bei Achills Flehen die Nennung „der lockigen Mutter“.  Es geht nur um den Vater. Die Geste des alten Mannes, der völlig ungeschützt sich dem Achill gewissermaßen ausliefert und demütig bittend seine Knie umfasst, erweicht die durch den Tod seines geliebten Freundes Patroklos verhärtete Seele und er bekam Sehnsucht nach seinem Vater Peleus und Mitleid mit Priamos, der ja auch wie sein Vater ein Greis war. Achill tat jetzt das, was griechische Sitte war. Er lud den Fremden, den  ξένος xenos ein, mit ihm zu essen und zu schlafen. Er behandelte ihn nicht mehr als  Kriegsfeind πολέμιος polemios, sondern als  ξένος xenos. Denn das Wort xenos ist ambivalent. Es bedeutet einerseits den Fremden, meint aber auch den Gastfreund und Freund. Es bedeutet auch den Söldner, als welche sich Griechen zur Zeit Psammetichs verpflichteten. Achill lädt Priamos also als Gastfreund ein. Er lässt ihn aber außerhalb schlafen, damit Priamos nicht von den anderen Griechen als Feind angegriffen werden konnte. Damit stellt sich Achill gegen sein eigenes Heer, er handelt ganz selbständig, als Individuum. Für ihn zählt Gastfreundschaft hier mehr als die Solidarität mit seinem Heer, das er offensichtlich dazu bringen kann, dass der Waffenstillstand, den er Priamos verspricht, eingehalten wird. Denn eine Trauer und feierliche Beerdigung sind ein hohes ethisches Gut, wie man es auch bei Antigone von Sophokles sehen kann.

Göttervater Zeus hat nur Achill durch Thetis sagen lassen, ihm zürnten die Götter und vor allen anderen Zeus selbst, „„dieweil er in tobendem Unsinn Hektor ungelöst bei den prangenden Schiffen zurückhält; Ob er vielleicht mich scheut und Hektors Lösung empfänget.“ Zeus schildert nur das Problem. Thetis macht daraus einen Auftrag: „Aber wohlan, entlass ihn, und nimm die Lösung des Leichnams.“ Wie genau Achill dabei vorgehen soll, wird in der Ilias nicht beschrieben. Zeus Anordnung, die Iris dem Priamos übersenden soll, ist konkreter: „Dass er löse den Sohn, zu den Schiffen der Danaer wandelnd, Und mit gefälligen Gaben Achilleus´ Seele versöhne.“ Auf welche Weise Achill und Priamos diese Anordnungen von Zeus umsetzen, wird dann in der Ilias im Handeln der beiden Kriegsgegner erst entwickelt. Man kann annehmen, dass die Griechen zur Zeit der Abfassung der Ilias genau wussten, was Zeus mit seinen Anordnungen meinte. Denn dass ein Toter beerdigt werden musste, stand fest. Das war das Gebot der Götter wie auch bei Antigone, die diese alte geheiligte Pflicht im Drama gegen die Anordnung des Tyrannen Kreon verteidigt, bis zu ihrem eigenen Tod.

Der 24. Gesang der Ilias zeigt einen Konflikt um die Beerdigung eines Helden, Hektors, zwischen Achill und Priamos. Der Konflikt wird mit Menschlichkeit gelöst. Die Kriegsfeinde respektieren die berechtigten Ansprüche der anderen Seite. Der Kriegsfeind polemios ist nicht der Böse, man selbst der Gute. Griechisch und nicht barbarisch ist es, dass der Fremde xenos anerkannt wird als Gleichberechtigter. Hektor tötet Patroklos, Achill tötet Hektor. Beide haben Unrecht getan. Beide haben schweres Leid zugefügt, Hektor dem Achill, Achill dem Priamos (und dessen Verwandten). Im gemeinsamen Denken an ihre Väter und den damit zusammenhängenden Gefühlen kommen sich Achill und Priamos näher und der Kriegsfeind polemios wird zum xenos in der Bedeutung von Gastfreund.

Meiner Meinung drückt die Doppelbedeutung von xenos als Fremder und Gastfreund ein tiefes Wesensmerkmal der Griechen aus. Durch diese Fähigkeit, sich dem Fremden zu nähern, es nicht einfach als fremd abzuwehren, sondern mit Neugier auf sich zukommen zu lassen und anzunehmen, konnten schon die griechischen Euböer im 8. Jahrhundert v. Chr. von Küste zu Küste eilen und das eigene Mythengut mit dem der Hethiter anreichern und so Ouranos, Kronos und Zeus nach dem Vorbild der hethitischen Götter ausbauen, wie der britische Althistoriker Robin Lane Fox so eindrücklich schildert.[75]

So haben die Griechen von den Phöniziern und Ägyptern Kunststile übernommen, aber eben nicht nur einfach übernommen, sondern sich selbst kreativ anverwandelt, so dass z.B. aus dem vorgestreckten linken Bein der ägyptischen Statuen das berühmte Wechselspiel zwischen Standbein und Spielbein wurde und die ursprünglich starren dädalischen Figuren sich im Laufe der Zeit immer mehr zu beweglichen Figuren umwandelten,  wie die Achsensysteme der Klassischen Plastik (ca. 480 – ca. 320 v Chr.) und der Hellenistischen Plastik (320 – 30 v. Chr.) zeigen.[76]  Die Griechen waren in jeder Hinsicht beweglich, äußerliche als Kolonisatoren, innerlich und psychisch, indem sie Gesänge wie den 24. Gesang der Ilias schufen und in der Kunst. Sie konnten das, indem sie das Fremde nicht abwehrten und verwarfen, sondern assimilierten und zu etwas Eigenem Neuem umwandelten.

Quellen:
[1]Ich folge hier J.H. Breasted: Geschichte Ägyptens, Copyright 1954 by Phaidon Verlag A.G. Zürich. Alle deutschsprachigen Rechte bei Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, Berlin. Gesamtherstellung Levisson N.V. Den Haag. Printed in The Netherlands S. 277-296

[2]     Amasis II. (reg. 570-526 vor Chr.)

[3]Herodot: Neun Bücher der Geschichte, Vollständige Ausgabe, nach der Übersetzung von Dr. Chr. Bähr, Berlin-Schöneberg 1898, marixverlag Wiesbaden, 3. Auflage 2011

[4]Karien – Wikipedia

de.wikipedia.org › wiki › Karien, zuletzt besucht 15.11.2020 unter Bezug auf Ludwig Büchner: Karia 1 in: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band X,2, Stuttgart 1919, Sp. 1944

[5]Naukratis – eine frühe griechische Handelsstadt im alten …

www.wissenschaft-aktuell.de › artikel › Naukratis___ei…, zuletzt besucht 16.11.2020 unter Bezug auf die Quelle: „Naukratis as a Contact Zone: Revealing the Lydian Connection“, Alexander Fantalkin; in: „Die komplexe Welt der Kulturkontakte. ‚Kontaktzone‘ und ‚Rezeptivität‘ als Mittel für ihre Beschreibung und Analyse“, R. Rollinger & K. Schnegg, Hrsg. (Colloquia Antiqua 4), Peeters Publishers, im Druck

[6]Inaros I. – Wikipedia

de.wikipedia.org › wiki › Inaros_I, zuletzt besucht 15.11.2020

[7]Herodot: Neun Bücher der Geschichte, Vollständige Ausgabe, nach der Übersetzung von Dr. Chr. Bähr, Berlin-Schöneberg 1898, marixverlag Wiesbaden, 3. Auflage 2011

[8]Apries – Wikipedia

en.wikipedia.org › wiki › Apries, zuletzt besucht 15.11.2020. Vgl. zu Amasis Rebellion Herodot II, 161-169

[9]J.H. Breasted: Geschichte Ägyptens, Copyright 1954 by Phaidon Verlag A.G. Zürich. Alle deutschsprachigen Rechte bei Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, Berlin. Gesamtherstellung Levisson N.V. Den Haag. Printed in The Netherlands S. 312-314

[10]J.H. Breasted: Geschichte Ägyptens, Copyright 1954 by Phaidon Verlag A.G. Zürich. Alle deutschsprachigen Rechte bei Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, Berlin. Gesamtherstellung Levisson N.V. Den Haag. Printed in The Netherlands S. 314-314

[11]Naucratis – Wikipedia

en.wikipedia.org › wiki › Naucratis, zuletzt besucht 04.11.2020

[12].H. Breasted: Geschichte Ägyptens, Copyright 1954 by Phaidon Verlag A.G. Zürich. Alle deutschsprachigen Rechte bei Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, Berlin. Gesamtherstellung Levisson N.V. Den Haag. Printed in The Netherlands S. 364

[13]J.H. Breasted: Geschichte Ägyptens, Copyright 1954 by Phaidon Verlag A.G. Zürich. Alle deutschsprachigen Rechte bei Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, Berlin. Gesamtherstellung Levisson N.V. Den Haag. Printed in The Netherlands S. 299

[14]J.H. Breasted: Geschichte Ägyptens, Copyright 1954 by Phaidon Verlag A.G. Zürich. Alle deutschsprachigen Rechte bei Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, Berlin. Gesamtherstellung Levisson N.V. Den Haag. Printed in The Netherlands S. 300-301

[15]Herodot: Neun Bücher der Geschichte, Vollständige Ausgabe, nach der Übersetzung von Dr. Chr. Bähr, Berlin-Schöneberg 1898, marixverlag Wiesbaden, 3. Auflage 2011

[16]Herodot: Neun Bücher der Geschichte, Vollständige Ausgabe, nach der Übersetzung von Dr. Chr. Bähr, Berlin-Schöneberg 1898, marixverlag Wiesbaden, 3. Auflage 2011, I, 30

[17]Naucratis – Wikipedia

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[18]Die Mythen der Griechen 1 und 2  Phoenix 18.01.2021 18-30-20 Uhr

[19]J.H. Breasted: Geschichte Ägyptens, Copyright 1954 by Phaidon Verlag A.G. Zürich. Alle deutschsprachigen Rechte bei Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, Berlin. Gesamtherstellung Levisson N.V. Den Haag. Printed in The Netherlands S. 306

[20]Archäologie: Die Fresken der kretischen Leiharbeiter – Wissen …

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[21]Wie ein Klimawandel das Ende der Bronzezeit einleitete …

scimondo.de › untergang-der-hochkulturen-am-ende-d…, zuletzt besucht 18.12.2020

[22]The Daedalic Style – GJCL Classical Art History

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[23]Herodot: Neun Bücher der Geschichte, Vollständige Ausgabe, nach der Übersetzung von Dr. Chr. Bähr, Berlin-Schöneberg 1898, marixverlag Wiesbaden, 3. Auflage 2011, II, 53

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Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz.  Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. Winckelmann-Gesellschaft. Johann Joachim Winckelmann Schriften und Nachlass. Band 4,3: Geschichte der Kunst des Alterthums. Allgemeiner Kommentar. Erste Auflage Dresden 1764 · Zweite Auflage Wien 1776. Herausgegeben von Adolf H. Borbein, Thomas W. Gaethgens, Johannes Irmscher (†) und Max Kunze Bearbeitet von Max Kunze, Marianne Kreikenbom, Brice Maucolin, Axel Rügler. Verlag Philipp von Zabern Mainz am Rhein. © 2007 by Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz

[34]Griechische Bildwerke – Projekt Gutenberg

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[35]   „Einen Reigen auch schlang der hinkende Feuerbeherrscher, Jenem gleich, wie vordem in der weitbewohnten Knossos Daidalos künstlich ersann der lockigen Ariadne.“

[36]KORE VON AUXERRE (Louvre), FRAUENKOPF AUS …

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[38]Burgendaten

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[43]Die griechische Plastik: Die geometrische und archaische Plastik

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[44]KORE VON AUXERRE (Louvre), FRAUENKOPF AUS …

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[45]eine Geschichte des Körperideals bei Ägyptern, Orientalen …

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Der schöne Mensch im Altertum. Eine Geschichte des Körperideals bei Ägyptern. Orientalen . Griechen von Heinrich Bulle, Professor der Archäologie an der Universität Würzburg, 3. Auflage, 3. bis 9. Tausend, . Mit 322 Tafeln und 171 Abbildungen im Text, G. Hirth´s Verlag München 1922 S. 21

[46]Die griechische Plastik: Die geometrische und archaische Plastik

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[47]Herodot:  Neun Bücher der Geschichte, Vollständige Ausgabe, nach der Übersetzung von Dr. Chr. Bähr, Berlin-Schöneberg 1898, marixverlag Wiesbaden, 3. Auflage 2011, I, 31

[48]Achsensystem I: Archaische Plastik – SwissEduc – Alte …

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[49]https://de.qaz.wiki/wiki/Kouros

[50]Der antike Steinbruch bei Apollonas | Ferienhäuser in Azalas

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[51]KORE VON AUXERRE (Louvre), FRAUENKOPF AUS …

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[52]DIE DARK AGES UND DAS ARCHAISCHE GRIECHENLAND

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[53]J.H. Breasted: Geschichte Ägyptens, Copyright 1954 by Phaidon Verlag A.G. Zürich. Alle deutschsprachigen Rechte bei Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, Berlin. Gesamtherstellung Levisson N.V. Den Haag. Printed in The Netherlands S. 306

[54]Der sog. „Apoll von Tenea“. Kuros genannter Statuentyp, der …

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[55]Archaisches Lächeln – Wikipedia

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[56]web.de 04.02.2021: Ägypten: Mumie mit einer goldenen Zunge gefunden – Forscher rätseln.

[57]Alessia Fassone, Enrico Ferraris: Bildlexikon der Völker und Kulturen. Ägypten. Hochkultur am Nil, Parthas Verlag Berlin 2008 S. 87

[58]Herodot: Neun Bücher der Geschichte, Vollständige Ausgabe, nach der Übersetzung von Dr. Chr. Bähr, Berlin-Schöneberg 1898, marixverlag Wiesbaden, 3. Auflage 2011

[59]Ein Bildnis des Amasis mit griechischer Inschrift – jstor

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[60]SPÄT- ODER PTOLEMÄERZEIT I

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[61]National Geographic Art Guide Ägyptisches Museum Kairo, Herausgeber Alessandro Bongioanni, Maris Sole Croce, White Star S.r.l., Italien 2001. Copyright der deutschen Ausgabe © National Geographic Deutschland, Hamburg 2002

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[63]Die Plastik der Ägypter – NYU

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[64]Der Orient und die Fruhgriechische Kunst – Forgotten Books

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[66]Schrille Frisuren – Schräge Bräuche – Raum 2 des Museums

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[67]AndreA M. Pülz Goldfunde Aus deM ArteMision von ePhesos

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[70]Der Orient und die Fruhgriechische Kunst – Forgotten Books

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[72]Spielbein – Wikipedia

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Der schöne Mensch im Altertum. Eine Geschichte des Körperideals bei Ägyptern. Orientalen . Griechen von Heinrich Bulle, Professor der Archäologie an der Universität Würzburg, 3. Auflage, 3. bis 9. Tausend, . Mit 322 Tafeln und 171 Abbildungen im Text, G. Hirth´s Verlag München 1922 S. 23-24

[74]   Homers Werke Erster Band Ilias Aus dem Griechischen von Johann Heinrich Voss Herausgegeben von Peter Von der Mühll Mit einem Nachwort von Egon Friedell.Nach der ersten Ausgabe von 1793. Veröffentlicht als Diogenes Taschenbuch 20778, Zürich 1980.

[75]Die Mythen der Griechen 1 und 2  Phoenix 18.01.2021 18-30-20 Uhr

[76]Achsensystem I: Archaische Plastik – SwissEduc – Alte …

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